Freitag, 14. August 2015

Gedanken über Improvisation...

... aus einem der nächtlichen Gespräche mit Nadine während der Afrika Tage 2015 in Wien.

Im Bericht von Josephine Pfost über 360° Orient – Show las ich folgenden Satz, der mich noch lange beschäftigte, Ein kleiner Wehrmutstropfen ist, dass die Tänze choreografiert waren
Dazu kommt der (un)ausgesprochene Eindruck, dass Improvisation für die Qualität einer Tänzerin spricht. Man findet Improvisation in den Titeln von Tanzvideos, Improvisations-Workshops bis hin zu den Kriterien in den Wettbewerbsanforderungen.

Was ist mit mir? Ich tanze fast immer improvisiert für die „Laien“, sprich in Restaurants, Bars und Privatauftritten, aber immer seltener auf der Bühne. Warum eigentlich? Aus dem gleichen Grund, wie auch wahrscheinlich der Rest – Der Druck unserer Szene wird immer größer, die „Fehler“ unverzeihlicher, perfekt tanzende Konkurrenz immer härter.

Nadine arbeitet seit zwei Jahren in Hurgada und lebt den Traumberuf Tänzerin aus. Sie tanzt in der Woche (!) 15 bis 20 Shows... (am liebsten hätte ich alle ihre Geschichten aufgeschrieben)

Während den Gesprächen mit Nadine über meine Luxor Abenteuer und ihre Arbeit in Hurgada sind wir auf einen Gedanken gekommen. Der Begriff Improvisation hat in Deutschland/Europa eine verzerrte Bedeutung. Man hat hier quasi den Eindruck, die „Improvisation“ impliziert, dass die Tänzerin in der Lage sein muss auch ein unbekanntes Stück auf Anhieb tanzen zu können. Gut zu tanzen. Orientalisch.

Aber der Ursprung lehrt uns anderes. Was unter „Anhieb“ missverstanden wird ist im Mutterland des Orientalischen Tanzes im Blut und falls jemand jetzt lächelt und den Bericht schließen möchte, weil diese Erklärung zu einfach ist, nein, ich meine es tatsächlich ernst, beziehe es aber auf das aufwachsen in einem bestimmten Umfeld, unter bestimmten Voraussetzungen und Gewohnheiten. Demnach könnte Improvisation zuerst eine Lebenseinstellung und danach erst eine Tanzform sein... Um eine Wertung zu umgehen haben wir die Gedanken dazu in einer Gegenüberstellung sortiert. Nutzt es als Anstoß zur eigenen Schlussfolgerung.

Hintergrund::
Die ägyptischen Tänzerinnen wachsen mit den Liedern, die sie dann schließlich „improvisieren“ von Klein auf. Sie hören sie im Radio, TV, Konzerten, kennen, singen, pfeifen, summen, trommeln diese auf der Tischplatte... Mit aller Wahrscheinlichkeit tanzt keine Orientalin ein Lied, das sie nicht kennt.

Die europäischen Tänzerinnen lernen diese erst im Unterricht, Youtube, what ever, erst wenn die Zeit gekommen ist sie zu kennen, bemühen sich um die Übersetzung und sind mit einer großen Menge auf ein Mal konfrontiert und müssen auch ziemlich schnell so viele wie möglich auch drauf haben, um mit dem Tempo mithalten zu können. 

Häufigkeit der Übung
Die BERUFstänzerin in Ägypten tanzt JEDEN Tag, mehrmals. Und wohl, wie oft, immer das gleiche. Wie eng ist die Grenze zu einem Lied immer das gleiche mit minimalen Abweichungen zu tanzen und der Choreographie? Sie ist dem Druck einer Europäerin nicht ausgesetzt, das beste zu geben, sondern nur ihren Job gut zu machen. Das Publikum zu unterhalten. Und dafür braucht sie keine überkonstruierte Bewegungen und Bewegungsfolgen, sondern genügt mit einer guten und stabilen Basis. Bauchtanz ist einfach.

Wie oft tanzt eine Europäische Tänzerin auf der Bühne? Vier Mal im Monat?
Meinem Gefühl nach, definiert sich unsere Bühne eher als Bewerbungs- Behauptungsplattform als als Unterhaltungssaal. Wer den größten Eindruck auf der Bühne hinterlässt, wird anerkannt und darf evtl. im nächsten Workshop Gage bekommen. Das ganze wird dann unter dem Begriff „Kunst“ abgesprochen, weil Kunst ist ja nicht Geldbringend ist (oder im besten Falle erst nach dem Tod ;)). Das ist vielleicht ein anderes Thema, aber der Grundgedanke ist wir tanzen ZU selten (auf der Bühne) und wir arbeiten nicht auf der Bühne. 

Tanzen jeden Tag vor Publikum hat die positive Nebenwirkung, dass man sein Energielevel kennen lernt, seine Lieder, es kommt zu einer Routine und damit einer gewissen Entspanntheit, die wir so sehr an den Ägypterinnen bewundern. Heute nicht, morgen. Außerdem ist die ägyptische oder in Ägypten tanzende Tänzerin nicht der Situation und dem Druck ausgesetzt ein Stück einmalig (im besten Falle ein Paar Mal) tanzen zu dürfen, weil das nächste neue Video schon wieder auf Youtube gehört, um wiederum den Traum vom Tänzerinnenberuf näher zu kommen... oder ist es was anderes, was das Ziel ist?

Länge der Musik
Was für ein Druck habe ich, dass ich in 3:30 min (bis 5 min) mein bestes geben soll. Das Publikum wahrnehmen, Gefühle zu fühlen, reagieren, Musik hören, Nuancen raus hören.... Die Tänzern in Ägypten hat ein Abendprogramm, eine Band die sie kennt, und mit der sie kommunizieren kann, sie kenn die Musik wie ihre Garderobe und ist bereit jeder Zeit auf Veränderungen einzugehen oder zu verändern. Und ihr Repertoire dauert nicht unter 45 Minuten...

Die Tänzerin in Ägypten arbeitet. Und Arbeit heisst, wie hier auf den Afrika Tagen in Wien flexibel sein, sich an die Umstände anzupassen. Dabei komme ich zu einem sehr wichtigen Punkt

Glamour-SPA-Einstellung
Die Berufstänzerin ist nicht verwöhnt!!! Tanzteppich? Klimaanlage? Backstage Koordination? Perfekter Sound? Licht? Background? Spaß? Zeit für Backstage Selfies?

Sahra Saeeda ordnet bei JtE 1 die Tanzsituation in Tische ein, von Homestyle bis zum Stage-Bellydance.
Unsere Gegenüberstellung ist uns nicht gelungen, weil wir keine Bühne und kein Theater in Ägypten für Bauchtanz finden, wie wir es in Europa haben. Er gehört da einfach nicht hin. Das ist reine europäische Erfindung. Sowie die Glamour Camps, Festivals, kostenloses Tanzen bei dir oder bei mir, Fusion im Orientalischen Tanz, Ausbildungen, Wettbewerbe etc....

Aber die Sehnsucht nach Improvisation bleibt.... Ist sie aber mit der Bühnenwelt vereinbar?

Mein Lieblingsspruch von Nadine ist „So schön Tanzen auch ist, aber wir machen nichts wichtiges... Weder retten wir leben, noch verändern wir die Gesellschaft zum besten“ und ich ergänze es damit, dass die wenigsten von uns überhaupt als Tänzerin arbeiten.



Also entspannt euch! Bleibt auf dem Boden der Tatsachen,
auf dem es definitiv nicht genug Glitter gibt....

Mittwoch, 5. August 2015

Meine Reise durch Ägypten mit Sahra Seeda Februar 2015 (JtE 3 & 4)


Was weiß ich über den Tanz, den ich tanze? Was weiß ich über seinen Ursprung und Hintergründe? Was Bedeuten überhaupt Hintergrund über den alle reden?
Bevor ich mich für das JtE Projekt von Sahra Saeeda angemeldet hatte, war die Antwort auf diese Fragen, ziemlich viel, aber unstrukturiert. Das Wissen bestand aus gelesenen, gehörten, ausgedachten und gesammelten aus verschiedenen Quellen, manchmal ohne Quellenangaben.

Während JtE 1& 2 brachte uns Sahra durch eine gekonnte Mischung aus selbsterlebten Geschichten, Fakten, Fragen und anschaulichen Material, Ägypten, seine Wüsten, geographische und tänzerische Regionen nahe. Unterschiede und Gemeinsamkeiten. Schon da wurden meine Augen immer großer und ich verstand, dass die eine Hälfte meines Wissens-Puzzles unsinnig ist. Ich fühlte mich wie ein kleines Mädchen, dem man einen Blumengarten zeigt, nach dem ich jahrelang mit Wildblumen gelebt habe... Beides schön, aber anders. Und was war mit der anderen Puzzle Hälfte? Yes! Die andere bekam immer mehr Sinn, die kleinen Teilchen passten sich an und ergaben ein viel deutlicheres Bild als vorher... Der ganz normale Tanzraum verschwand, wir hörten die Straßen, spurten die Wärme und die Momente der Gänsehaut häuften sich. Ägypten kam immer näher...

Was im 1&2 gelernt und gehört wurde, soll in 3 & 4 gesehen und erlebt werden.

Um 23 Uhr holte ich meinen Koffer aus dem quitschenden Auto. Nahm ein Paar weitere Menschen neben mir war und war ansonsten Hundemüde von der langen Hinreise. Sahra, der erste bekannte Mensch seit Stunden mit ihrer warmen Ausstrahlung, langsamen Gang und einer wissen-teilen-wollenden Seele, gab mir Zeichen zum Folgen... Ein kühler Treppenhaus, unebene mit Stuck bearbeitete Wände im Sandton und Stufen, Stufen, Stufen... Kampf mit der Müdigkeit wurde immer schwerer. Als wir plötzlich auf der Terrasse standen und mir sich die Pyramiden-Landschaft eröffnete... quitschte ich… und hüpfte. Müdigkeit war fort. Beleuchteten, stolzen und monumentalen Pyramiden, warme Luft und eine leichte Briese. Wahnsinnig schön! Ich war da, im Märchen Namens Ägypten.

Ein Märchen also. Nun gut. Das Märchen hatte die nötige Ausstattung, kannte keinen europäischen Standard und bei weitem keine Luxus... Zu unserem Pech (oder Glück?) erwischten wir DEN Sandsturm und all seine Nebenwirkungen. Sand war überall. Automatisch rutschten unsere Schals vom Hals auf Kopf und nur die Augen waren manchmal zu sehen. Noch Tagelang nach dem Sturm fand ich welchen in den Socken und anderen Anziehsachen, Schminke, Cremen, ich hatte das Gefühl das der Kampf mit dem Sand zur meiner Lebensaufgabe wurde und das Aufgeben oder das Abfinden nicht in Frage kam... Nur der Frühstück machte meinem Sandkummer und kurze Nächte wieder gut. Die Töchter des Hausbesitzers bereiteten liebevoll den Frühstückstisch mit all den typischen Gerichten Full, Eier, Käse, Halwa, und für jeden von uns einzeln Kaffee oder Tee, so dass nach zwei Tagen die Mädels sowohl unsere Namen als auch unsere Getränkegewohnheiten kannten... Ihre zerstreuten Haare am morgen und die Pulis just über den Schlafanzug ließen mich jeden Morgen sich wie Zuhause fühlen. Meine Neugierde nach der Art und Weise des Schminkens wurde bald mit einfachen Tipps beschert und mit neuem Augen-Look ging es los in das von Sahra entwickelte Entdeckungs-Programm.

Und zu entdecken gab es verdammt viel... Während unseren „Balady Walk“ durch Mohamed Ali Street ließen sich die Familie nicht von ihrer Arbeit abhalten. An einer Ecke wurden die Oud´s gemacht, an der anderen die Trommeln bezogen. Ein älterer Mann direkt neben einem Jungen... an einem kleinen Laden blieben wir etwas länger stehen – Henkesh´s Brothers. Später im Caffe zeigte Sayyid Henkesh uns die verblichen schwarz-weiß Fotos im Jungen Alter neben berühmten Tänzerinnen. Ungezwungen tauchte mir ein Bild vor Augen von den ein Paar „berühmten“ Trommlern unserer Zeit, die Protzigen Profifotos mit engen Shirts und kreischende Likes von den weiblichen Fans. Ich versuchte diese Gedanke und ähnliche, wie später noch so oft, wie nervige Fliegen abzuwedeln und mich wieder auf die Erzählung zu konzentrieren. Wir rauchten Shisha, er Zigaretten, erzähle weiterhin witzige Geschichten, rauchte noch mehr und genoss unsere ruhige und gebannte Aufmerksamkeit. Sein Blick war fest, erdig, real... Die Namen von großen Tänzerinnen aus den schwarz-weiß Filmen fielen, wie die Namen der Nachbarinnen. Das alles fühlt sich so nah und greifbar an. Ohne einen Schleier von zu viel, zu laut und zu gut und zu weit.

Bab Zuweila und die Mosche waren der architektonischer Genuss und Kontrast zu den den normalen Häusern, unglaubliche Sicht auf die Dächer von Kairo, dem blauen Himmel und gebannte Stille in der Mösche, neben einer der lautesten Strasse.
Um Kolthum Museum leuchtet mit nicht zu versteckenden Stolz...

„die Jahre vergingen, und obwohl sie nicht zahlreich genug waren, um eine solche Veränderung zu rechtfertigen, reichten sie aus, um Spuren zu hinterlassen. [...] Unten im Kaffeehaus ertönte der Ruf des Kellners, und wie ein Echo hallte seine Stimme in dem stillen Zimmer wider. [...] Nichts liebte sie mehr als diese Gasse, die die ganze Nacht hindurch ihr Herz berührte; sie war ihr eine Freundin, auch wenn diese sich nicht darum kümmerte, dass ein liebendes Herz hinter dem Erkerflügel schlug. Die Wahrzeichen der Gasse füllten ihre Seele aus, und die nächtlichen Geräusche glichen Wesen, die in ihren Ohren hausten.“ (Nagib Machfus „Palast der Sehnsucht“, S. 7-8)

Je mehr wir in die Gassen von Kairo eintauchen, desto mehr Auszüge kamen wie kleine Erinnerungsfetzen aus den Büchern von Nagib Machfus wieder und die Orte in seinen Erzählungen bekamen Forme, Geräusche, Farben und Gerüche...



Es wurde schnell dunkel... Die Abendveranstaltung verdrehten uns regelrechten den Kopf. Tannoura Show, Zaar- oder Saidi-Konzert. Es war ein Erlebnis der Musik so nah zu sein, seine ganze Energie mit zu bekommen, die Verbindung zwischen dem Musiker und dem Instrument, die Virtuosität, und als die ganz große Bereicherung einfach die verschiedene Intensität und Wirkungen der jeweiligen Instrumente und Stile auf mich als Mensch und Tänzerin. Den Größten Eindruck hat Mizmar bei mir hinterlassen (nie wieder mache ich über dieses aus dem CD Plyer ziemlich noisig wirkenden Instrument einen Scherz) ab jetzt ist es für mich der Haschisch des Orients...


Khan Kahlili, Geschichten, Eindrücke, eine Hochzeit, europäische und ägyptische Tänzerinnen, Locations der verschiedenen Klassen... Menschen, Männer, Blicke, Sprüche...

Nach JtE-3 (8 Tage in Kairo) wollte ich nur noch nach Hause... Ich war überfüllt. Es waren einerseits die Fakten und Informationen aus den Museen und Führungen, die sich auf das chaotische Alltagsleben von Khankhalili bis über das Taxifahren trafen, die Menschen und ihre Geschichten, und auf der anderer Seite die kunstvollen und berauschenden Abende. Bei mir war das ein KUNST – ALLTAG – TRADITION – MENTALITÄT – WIDERSPRUCH UND vielleicht sogar WIDERSTAND.


Doch wer Sahra kennt, weiß diese Frau macht alles mit einem Sinn... Nach Kairo brachte uns der Nachtzug ins JtE 4 und damit direkt nach Luxor. DAS Gegenteil von chaotischen und dreckigen Kairo. Ein ruhiges, schöner Ort, super Hotel und warmes Wasser in der Dusche. Haltet mich nicht für Verwöhnt. Ich habe schon einiges in meinem Leben erlebt und die k(l)ein-Stern-Verhältnisse sind kein Problem. Aber bei dieser Reise lernte ich dass die Lebensverhältnisse und Begebenheiten noch verschiedene Unter-Dimensionen und Levels haben und diese lernte ich an eigenen Haut kennen und aus heutiger Sicht würde ich alles wieder genauso erleben wollen!


Zurück zum Thema. In Luxor eröffneten sich uns die Tempel-Landschaften, wir hatten eine großartigen und leidenschaftlichen Guide, der uns die Geschichte und Geschichten nah legte und wir bereit waren stunden lang zuzuhören. Doch Nachmittags erwarteten uns schon die Meister ihrer Kunst... Und damit rutschen die meisten Masterteacher der Festivals etwas runter (mit der größten Entschuldigung!). Aber eine Khyriya Mazin oder der Tahtib-Meister bei denen wir die Ehre hatten Unterricht zu haben. Diese Lehrer nicht in einem Trainingssaal mit Spiegel und Tanzsaal-Atmosphäre und überhöhte Gage zu erleben, sondern in deren Umfeld, ist was ganz, ganz anderes. Eine weitere Lektion „Bist du ein Gast und Schüler oder ist der Lehrer ein Gast und Schüler?“. Die Erfahrung, die unbezahlbar ist...

Die Abende drehten sich wieder! Tanz, Gesang, Musik... Was mache ich bloss in Deutschland jetzt ohne Live Musik? Und wie bewahre ich dieses Gefühl für längere Zeit auf, was ich hier als Geschenk bekommen habe?
Der Tanz, den wir sahen und den Sahra uns zu verstehen und einzuordnen half, findet man weder auf Youtube noch auf facebook... Die Momente an diesen Abend waren die schönsten in meinem eigenen Tanzleben und ich merke, dass ich emotional werde und muss wieder zum Thema zurück...
Papalapap...





Von Luxor ging es weiter nach Assouan, die Perle in Ägypten würde ich jetzt sagen. Wenn der Weg in Kairoer Taxis mit Shaaby Musik begleitet wurde, eröffneten sich die Prominaden von Assuan zu Mohamed Muniers Liedern. Die Begegnung mit und in dem Nubischen Kulturzentrum, nubischen Dorf, nubischen Familie, die Gespräche mit ihnen und im Abschluss die Party war ein weiterer Kapitel auf dieser Reise. Ein Volksstamm mit ganz eigenen Geschichte, Tradition, Tanz und sogar Architektur. Faszination für immer... „Nuba...Nuba...“ geht unsere Graduations-Tanz bzw. das Lied mir nicht mehr aus dem Kopf. Nubischer Tanzunterricht mit Live-Gesang und Trommel.. Ein Erlebnis der besonderer Art und mein Herz schlägt noch viel mehr für die Folklore. Zum Thema Herzschlag war die Entdeckung des Dankenszeichen am Dam für die Ägyptisch-Sowietische Zusammenarbeit ein kleines Geschenk für mich. Stolz.


Das Sonnenwunder des Jahres im Abu Simbel hat mich nicht so umgehauen... Stundenlanges in der Menschenmenge zu stehen, Bedrängnis, Schubsen um eine Sekunde etwas zu sehen, was man hinterher auf youtube noch mal nachschaut und zu erkennen was man eigentlich zu sehen bekommen hat gehört in die Kategorie „nice... Häckchen“. Der Tempel selbst ist wunderschön und wird bei mir immer in Erinnerung unter Spruch meiner neuen arabischen und sehr romantischen Freundin bleiben „kannst Du Dir vorstellen das hat er für seine Frau gebaut! Hat Dein Mann schon Mal ein Tempel gebaut?!“. Tja andere Zeiten, andere Sitten...


Je länger ich in Ägypten war, desto entspannter wurde ich, nahm die etwas seltsame 24-Stunden-Verkauf-Flirt-Angewohnheit der Ägypter nicht mehr so schräg wahr, lernte die Geräusche von Gesprächen, Gestank von Gerüchen und Staub von Schönheit besser zu unterscheiden. Je mehr ich mich dem Ägypten näherte, desto mehr näherte sich auch der Abschied.

Über drei Stunden Fahrt zurück zu Assuan wurden wir durch die Stimme von Um Kolthum begleitet. Immer wieder stimmte unser Fahrer mit ein und gestikulierte emotional in der Luft. Fang sich wieder. Und huschte mit Blick in den Spiegel auf uns. Eine besondere Frau, Künstlerin... Mein Best of Um Kolthum - Box aus dem Museum beinhaltet 20 CD´s jede CD ein Lied... Ein Lied geht über 58 Minuten...

und wieder der Nachtzug... Der Nubische Lehrer kam um uns zu verabschieden und mit ganzer Leichtigkeit seiner Art machte er uns den Abschied (im Grunde von der ganzen Reise) etwas schöner mit Scherz und Tanz. Oh ja, fast 20 Leute stampften und klatschten und sangen im Zug „Nuba... Nuba...!“. In Luxor machte der Zug kurzen Halt und unserer Helfer aus Luxor begleitet von Saidi-Mizmar Spieler kamen um uns gute Reise zu wünschen und versüssten diese mit Baklava... Herzlichkeit auf die einfachste Art und Weise. Leicht, süss, bekömmlich...

Als der Schaffner die Endstation – Kairo ausrief, überkam mich schon etwas Panik vor Kairo. Doch nach den 10 Tagen „sacken lassen“ war alles nicht so schlimm. Der Sandsturm hatte sich gelegt und auch meine aufbrausende Emotionen. Hier etwas Distanz, dort etwas Verständnis und Akzeptanz...

Nach 21 Tage Jeans und unaffälligen Klamotten, freute ich mich auf die „normale“ Kleidung und roten Lippenschtifft. Während ich Ägypten kennen lernte, lernte ich auch mich ein Stück weit mehr kennen und meine Gewohnheiten. Manche von denen haben sich geändert, die anderen gefestigt. Nur die Einstellung zu Ägypten, Tanz das wird nie wieder so sein wie vorher... „Complecated“ steht auf JtE-Shirts. Oh ja, es ist kompliziert...



Lust auf JtE 1&2? Nutze die einmalige Chance mehr zu erfahren! Über den Tellerrand hinaus zu schauen! Hab Mut eine andere Perspektive kennen zu lernen!
Sei dabei 22.-24. April 2016 JtE 1 und 25.-28. April 2016 JtE2 in Osnabrück.
Alle Infos unter www.oriental-art.de

Mehr über Sahra Saeeda https://www.facebook.com/sahra.c.kent?fref=nf

Mehr über JtE http://journeythroughegypt.com/

Donnerstag, 30. Juli 2015

Flaschenposts aus Luxor 2015



Flaschenposts aus meinen Abendteuern in Luxor als Begleitung von Sahra Saeeda bei ihrer tanzethnologischen Forschung in der Zeit von 13.-24. Juli 2015. Ich hatte nie geglaubt, dass mir solch eine Erfahrung auf tänzerischer, menschlicher und kultureller Ebene widerfahren kann. Aber es war wohl einfach meine Zeit, an diesem Ort genau jetzt zu sein, und all diese Lektionen zu lernen und Geschenke anzunehmen, die man sich sonst nur wünscht und nie bekommt. 


Und die wichtigste Lektion ist: Vertrauen, dass etwas vorherbestimmt ist, vertrauen, dass man nicht alles selbst "puschen" muss, vertrauen, dass, wenn die Zeit gekommen ist, die Puzzleteile, die die eigene Geschichte ausmachen, zu dieser Geschichte sich auch zusammen fügen werden.

Ich bin gewohnt in meinem Leben einen akribischen Plan zu haben, von vorne bis hinten die Kontrolle zu behalten und zu glauben, dass "wenn nicht ich, dann wer". Doch für die knapp zwei Wochen meiner Reise nach Luxor hatte ich gar keinen Plan, aber Luxor hatte einen Plan für mich und sogar einen Spitznamen, der schnell in Umlauf kam "Dee Dee". Verahzad sagt immer, jeder von uns hat irgendeine Bestimmung, man muss nur raus finden welche... Doch in unserer Zeit, wo jeder von jedem alles sehen kann, und alles in einer unermesslichen Geschwindigkeit passiert, ist es schwierig die Geduld zu haben, auf den eigenen "richtigen Moment" zu warten, ohne den Spuren und Ideen der anderen zu folgen oder mit der Masse zu laufen. "Alles zu seiner Zeit" hat nach dieser Reise eine ganz andere Bedeutung für mich. Und für euch als Geschenk die Flaschenposts aus Luxor. Als ich sie hier zusammenfasste, merkte ich wie immer tiefer und tiefer sie wurden. 




Freitag, 24. April 2015

Live Musik. Von Rarität zum Trend

In der arabischen Kultur hat die Musik eine sehr große Bedeutung und eine lange und feste Tradition. Die Besonderheit der arabischen Musik für „westliche“ Ohren ist, einerseits, der typische Klang, der seine Charakteristik darin entfaltet, im Gegensatz zu dem Halbtonschritt, (kleinstmöglichen Intervall der europäischen Musik) noch viel kleinere Tonintervalle zu ermöglichen. Das macht die orientalische Musik so filigran, spannend, manchmal auch märchenhaft. Anderseits, die Kompositionen, die einen Spielraum für Interpretation und Improvisation geben, und schließlich der Gesang, dem, im Vergleich zu der europäischen Musik, größere Bedeutung zugemessen wird. Bauchtanz ist ohne Live Musik in Ägypten kaum denkbar und überall in der Welt geht der Trend der Festivals und orientalischen Tanzveranstaltungen hin zu "mit Live Musik". Wenn es um Zeichen der Qualität einer Tänzerin geht, so war es schon immer zu Oum Kolthum tanzen zu können und entwickelt sich heute in Richtung zu Oum Kolthum mit Live Musik. Auch in Deutschland nimmt dieses Thema Formen an und eine interessante Strömung beginnt.
Eine kurze persönliche Anekdote - oder wie für mich alles begann...
Zu 360° Orient 2014 hatte Verahzad einen grandiosen Einfall - Live Musik in die Veranstaltung zu integrieren. Puh... etwas panisch aber neugierig und euphorisch haben wir die Nägel mit Köpfen gemacht und einen dritten Abend organisiert, als Versuch, ob Osnabrücker Publikum dazu überhaupt bereit war. An dem besagten Abend trafen die Musiker an und ignorierten mich leicht oder mein Alter als Veranstalterin wartend auf Verahzad. Als alle sich gegenüber standen und sich leichtes "no plan" Feeling ausbreitete, kam in einem sehr guten Deutsch (die Überraschung basierte auf etwas schlechte Vorerfahrung zu diesem Thema): "aufbauen, proben, spielen, abbauen".

"Für einen Araber ist es aber eine sehr europäische Einstellung" formten sich meine Gedanken zu schnell in Wörter.

Wie ich erst später herausfand, hatte Diab Nasser eine sehr stolze Vita, von musikalischer Früherziehung bis zu der jahrelangen Ausbildung bei Magdy Manga. Seine Projekte reichen von Studioaufnahmen, Management von Bands (VIP, Shabab und Mazzikatea Europe), Gigs bis zum aktuellen Supportact auf dem Konzert von Tamer Hosny... Jede Tänzerin hätte schon längst damit geprallt. Diab bleibt sachlich und tut seinen Job... und zwar ziemlich gut.

Aus dem frechen Spruch entstand Bekanntschaft und ein neues, starkes Projekt für 360° Orient 2015, mit einer neuen Konstellation und besonderem Anspruch.
Kennt ihr das Phänomen, wenn man das Auto einer bestimmten Marke kauft, sieht man es plötzlich an jeder Ecke. So war es bei mir auch, als ich angefangen habe mich mit der Live Musik auseinander zu setzten, schien die ganze Szene damit in Bewegung gekommen zu sein.
Bei SHRQ propagierte Nabila Sabah in ihrem Vortrag: "unterstützt die Live Musik", die großen und kleinen Veranstaltungen kündigten Live Musik an und schließlich gab es
neulich auf facebook einen ziemlich langen Tread zu diesem Thema. Daraus festigten sich Fragen, die sich schon länger in der Entwicklungsphase befanden und nach einem Telefonat entstand folgendes Interview. Über die Musik, Diab und seine musikalische Sicht auf die Dinge...




Gab es in den letzten Jahren Entwicklung in der Musik? Ich kann nur vom Tanzen sagen, wie es sich verändert hat. Hat sich die Musik auch verändert? Wenn ja, dann in wie fern?
Ja, hat sie... Sie ist minimalistischer geworden. Elektronischer, moderner, zeitgemäßer. Man nimmt Elemente aus anderen Musikformen, Klangfarben aus anderen Stilen und verbindet sie um den Sound zu kreieren. Sie hat sich in der Abmischung, Akzentuierungen, Melodien, Harmonien und Rhythmik verändert aber die Kompositionen und Arrangements sind wesentlich reduzierter geworden.. (lacht) jetzt bräuchte ich mein Keyboard um das musikalisch darzustellen.

Das Interesse mit Live Musik zu tanzen ist da. Wie kann die Entwicklung aus deiner Sicht weiter gefördert werden? Die Entwicklung kann nur dann gefördert werden, wenn sich die Tänzerinnen auf die musikalische Materie wirklich einlassen. Meiner Meinung nach fehlt es noch sehr am fachlichen Verständnis, was dazu führt, dass Tänzerinnen von manchen Musikern von oben herab behandelt werden (und umgekehrt) und die Veranstalter mit nicht-Profis arbeiten, von diesen aber Höchstleistungen erwarten. Missverständnisse und ggf. auch Enttäuschungen der Veranstalter könnten vermieden werden, wenn eine ernsthafte Selektion der Musiker stattfinden würde. Vielleicht sollten sich die Tänzerinnen, bevor sie sich in die Arbeit mit Live Musik stürzen, fragen, kann ich mit einem Musiker kommunizieren? Die Wünsche äußern, ohne auf die Hand- und Geräuschsprache zurück zu greifen. Die Kommunikation auf Augenhöhe basiert nicht auf Förderungen oder Machtkämpfe, sondern auf Basiswissen.

Wie lerne ich die schlechte Musik von sehr guter Musik zu unterscheiden, wenn alleine das LIVE schon so viel Begeisterung und Euphorie auslöst, dass es schon ausreicht? Wenn du fachliche Kompetenz hast, ein Stück zu analysieren, heraus zu hören aus welchen Bestandteilen es zusammen gesetzt ist und ob derjenige, der das interpretiert in der Lage ist, das umzusetzen und wie. Der Weg von der Beurteilung nach zu Empfinden ist der Weg zur fachlichen Beurteilung. 

Vor kurzem habe ich in Russland folgende Situation erlebt - Live-Musik-Marathon:
Die Musiker haben 3 Std. mit Tänzerinnen geprobt und nach 3 Std. Pause weitere 5-6 Std (!!!) gespielt. Ganz ehrlich, ich selbst fand es unmenschlich. Die Musiker wussten aber worauf sie sich einlassen, und waren trotzdem dementsprechend unmenschlich zu den Tänzerinnen. Während die ersten schon getanzt haben, wurden die Instrumente mit der Anlage abgestimmt, gestoppt, gestimmt, von vorne angefangen... Was ist deine Meinung dazu? 
Ich halte nicht viel davon. Man kann nach einer gewissen Anzahl der Stunden nicht mehr die Leistung und Qualität aufbringen, die man selbst, Tänzerinnen und die Zuschauer verdienen.
Musiker, die im Orientalischen Tanzbereich in Ägypten arbeiten, zählen nicht gerade zu den gut bezahlten. Sie bedienen eine Nische, die gefragt ist, aber in den Musikerkreisen nicht angesehen ist, vor allem im Inland des Landes nicht. Wenn die Musiker für die Bauchtänzerinnen arbeiten, haben sie weniger oder gar keine Möglichkeit im Orchester zu wirken, der einen Star bedient. Demnach sehen sie in solchen Auslandsmöglichkeiten die Chance das schnelle Geld zu verdienen, was sie sonst vielleicht in einem Monat bekommen würden.

Aber zurück zum Thema Qualität. Der Musiker geht, wie jeder andere Künstler, mit einer gewissen Energie, Konzentration, Seele, einem Atem auf die Bühne und nach einer gewissen Zeit bringt man keinen Glanz mehr. Ein gesundes Programm beinhaltet 2-3 Stunden. Das, was die ägyptischen Bands machen, würde ich nicht mitmachen. Profis müssen zu Profis finden. Um die Qualität des Orientalischen Tanzes und nicht seine Quantität zu fördern, muss auf einer Vertrauens- und Respektebene gearbeitet werden. Aber ich denke, die Tanzszene betrifft es genauso, wie die Musikszene...  

In Europa ist es für eine Tänzerin unmöglich eine eigene Band zu haben. Man hat ja selbst genug Schwierigkeiten, sich durch die Auftritte zu ernähren. Daher ist die Band eigentlich als eigenständiger Künstler zu betrachten, der für mehrere, unterschiedliche Tänzerinnen mit unterschiedlichen Ansprüchen zur Verfügung steht und spielt. Ist das interessanter? Oder auch schwieriger? Hm.. Habe ich eine feste Konstellation, die für eine Person spielt, hat es natürlich Vorteile, weil Sachen auch unvorbereitet ausprobiert werden können, man entwickelt eine Form der Kommunikation auf der Bühne. Verständnis. Du lernst die Grenzen der Person kennen, geht’s drüber oder nicht. Die Steuerung geht in verschiedene Richtungen, die Melodie gibt vor und der Trommler reagiert. Je besser man sich kennt, desto besser funktioniert das Ganze und es entsteht immer wieder ein neues Format. 
Wenn man die Tänzerin nicht kennt, ist es eine Art Nervenkitzel. Im Raum steht automatisch die Frage, was kann ich mir musikalisch erlauben, wo ist die Grenze der Tänzerin oder des Musikers etc.. Das ist, wie Menschenkenntnis auf der künstlerischen Ebene. Interessant ist Beides. Immer!  

Es scheint so, als ob die Trommler in der Bauchtanzszene die besseren Chancen haben, einen Job zu bekommen? Ist das so? Ist unsere Szene eher auf One-Man-Show ausgerichtet? Eine One-Man-Show kann man durchaus machen, weil der Trommler ein wichtiger Part der Musikfamilie ist. Es ist bloß die Frage des Anspruchs und der finanziellen Mittel. Die Nummer verliert an Wertigkeit, wenn der Trommler zu der CD mit trommelt und erst dann seine 5-Minuten-Show spielt.
Um die One-Man-Show zu definieren. Nur zwei Musiker haben die Möglichkeit für die Tänzerin alleine zu spielen, der Trommler oder der Keyboarder. Warum der Keyboarder? Wegen der Möglichkeit mit hochmoderner Technik zu arbeiten. Es kann natürlich nicht die Band ersetzen, aber alles spielen, was auch die Band kann, von Geige bis zu den Trommeln. Die Musik lebt anders und ist nicht authentisch, aber es ist möglich. Die meisten Tänzerinnen greifen aber nicht drauf zurück oder verabscheuen sogar den Gedanken, gleichzeitig, was sehr paradox ist, bevorzugen sie aber gerade die Tanzstücke von CD, die ausschliesslich vom Keyboard produziert worden sind. Für mich hat es nur eine Erklärung, dass die Tänzerinnen nicht in der Lage sind, die Klangfarben auseinander zu halten, um das zu erkennen.  

Du hast eine starke Vita und eine Menge Projekte am Laufen. Warum sehen wir dich so selten im Bereich „Selbstpromotion“ in den sozialen Netzwerken und Medien? Ich kann meine Existenz leider nicht von der Orientalischen Musik abhängig machen, sondern durch Studio-Arbeit, Event- und Gala-Bereich. Die Wurzeln liegen darin und mein Herz geht darin auf, deswegen bleibe ich dem treu. Aber ich bin Realist, ich werde damit nie meine Existenz sichern können. Nicht solange die Szene so funktioniert, wie sie zur Zeit funktioniert - Verfügbarkeit über alles. 
Die Leute, die Qualität genauso lieben und genau das Gleiche suchen, werden mich und die Band schon finden.  

Warum Mazzikatea Europe? Und warum die Idee mit dem Netzwerk? Mazzi bedeutet Musiker (im Plural). Das Netzwerk soll für Profimusiker stehen, die in diesem Pool zusammen arbeiten und die Fähigkeit haben Orientalische Tänzerinnen zu begleiten. Es ist keine feste Band. Die Konstellation der Musiker wechselt nach Art der Veranstaltung, Budget etc. Aber bei jeder Zusammensetzung bietet es einen gewissen Qualitätssiegel für die Veranstalter, aber auch Musiker. Europe steht für die Möglichkeit international zu arbeiten. Alle Musiker kommen aus Europa und haben damit mehr logistische Freiheit als die Bands aus Ägypten. Wir wollen das Niveau der Live Musik in Deutschland anheben und einige schlechte Erfahrungen der Tänzerinnen relativieren, die Entwicklung ankurbeln und die Live Musik nicht nur beliebt, sondern möglich machen, ohne dabei auf die Qualität zu verzichten.


Wer ist in der Regel der Leader einer Band? Das Keyboard ist das dominanteste Instrument unter den Instrumenten, da es in der Lage ist, ein anderes zu ersetzen und zu harmonisieren.  

Wie bereitet ihr euch auf einen Gig vor? Wie bereitet sich eine Tänzerin vor? Wir bekommen die Stücke zugesandt, sichten die Musik. Manchmal sind die Zusammenschnitte zusammenhangslos. Dann wird Optimierungsarbeit geleistet oder Vorschläge gemacht, was und warum musikalisch nicht geht usw. 
Jedes Mitglied der Band probt erst alleine und dann zusammen, und schließlich mit Tänzerinnen in Form einer Generalprobe.  

Aus persönlicher Erfahrung weiß ich, dass das Höchste für eine Tänzerin ist, zu Oum Kolthum zu tanzen. Ist es für dich/ euch genauso eine Herausforderung? Es gibt einige Schlüsselfiguren in der Orientalischen Musik, wo Oum Kolthum die prägendste Rolle spielt, keine Frage. Es ist eher eine Ehre als Herausforderung, diese Stücke zu interpretieren, mit denen man groß geworden ist. Denn als Musiker musst du in der Lage sein, Oum Kolthum zu interpretieren (Longas zu spielen). Das ist wie das Grundgesetz der Musiker. In der Jazz Musik gibt es den „Real Book“, das ist wie die Bibel. Die muss man können. Jazz ist nicht nur Impro. So verhält es sich auch mit Oum Kolthum, aber auch mit Abdel Wahab, Warda – die Klassiker, die man spielen können muss.  

Die Gage, die die Bands z.B. für 5 Musiker verlangen, ist von 1.500 € bis 3.000 € (inkl. Anfahrt) und höher. Wie erklärt man sich diesen Unterschied? Ganz klar, Qualität hat seinen Preis. Man kann nicht von einem Budget für einen Polo einen Daimler kaufen und sich dann ärgern, wenn es den Ansprüchen nicht gerecht wird. Das eine ist eine ausreichende Transportklasse und das andere die Luxusklasse.

In der Tänzerwelt ist es mittlerweile Gand und Gebe, dass sich die Tänzerinnen an den Veranstalter anbieten. Nun habe ich die gleiche Erfahrung auch mit einer Band erlebt. Was hältst du davon? Wo siehst du Schwierigkeiten? Ich sehe keine Schwierigkeit. Es ist eine Frage der freien Marktwirtschaft. In einem anderen Berufszweig gibt es auch Bewerbungen. Aber auch Ausschreibungen! Ich bin eher der Typ für eine Ausschreibung. Ich warte darauf, bis meine Dienste gefragt sind und versuche in dem Punkt Überzeugungsarbeit zu leisten.  

Die Veranstalter können es kaum, die Tänzerinnen bezahlen eine Band schon gar nicht. Warum? Die Budgets und die Prioritäten werden, aus meiner Sicht, anders gesetzt. Die Tänzerinnen holen sich eher ein Kostüm oder eine weitere Fortbildungsreise als eine Band. Wie kann man das kippen?
Wer schon mal zu Live Band getanzt hat, weiß, dass das Gefühl ein anderes ist. Es entsteht eine andere Dynamik, Energie, Kraft, Kommunikation und, wenn die Tänzerin in der Lage ist, das nicht nur selbst zu genießen, sondern auch an das Publikum zu transportieren, ein unbeschreibliches Erlebnis für alle. 

Letztes Jahr hast Du und Mazzikatea Europe Randa Kamel beeindruckt. Gerade wart ihr die Preshow beim Konzert von Tamer Hosny, im Juni spielt ihr für Nour und Yasser Alswery (360° Orient/ Osnabrück), im September (Spirit of Cairo/ Berlin) für Tito und Dandash. Das sind alles sehr laute Namen und es scheint so als arbeitet ihr nach dem Prinzip "klotzen, nicht kleckern". Was ist das Ziel, Deins und des Netzwerks? Unser Ziel ist, ganz klar, eine höhere Positionierung der Musiker auf dem europäischen Markt. Und der Anspruch einen gewissen Level musikalisch zu bedienen, sprich auch die Künstler mit Starstatus. Sowie das Beispiel am vergangenen Wochenende beweist. Die Band von Tamer Hosny hatte keinen Trommler dabei. Ohne Bedenken wurde Mohamed Zaki (einer der Musiker des Mazzikatea Netzwerks) eingesetzt und die ganze Show mit begleitet. So soll es sein. Es soll Vertrauen auf Professionalität und Qualität herrschen. Unser Ziel ist - hochqualitative Live Musik, Punkt.
  
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Bevorstehende Veranstaltungen mit Mazzikatea Europe: 
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www.spiritofcairo.com

Workshop:
Orientalische Musik - http://www.360-orient.de/teacher#Diab

Livemusik Tanzausbildung in Deutschland: 
http://www.nabila-sabha.de/rakslive.html





Dienstag, 13. Januar 2015

Moscow-Diary #1 oder was haben 295 PS mit Tanz zu tun?

...nach acht Monaten bin ich wieder hier. In einer Stadt, auf die ich jedes Mal mit gemischten Gefühlen treffe, die mein Energie- und Inspiration-Level anhebt und jedes Mal irgendetwas raus holt. Moskau...

Normalerweise, wenn ich einer Stadt begegne, ist das erste was ich mache, laufen. Einfach so, durch die Straßen, Gassen, Plätze. Ohne Plan. Ohne Stadtplan. Eindrücke sammeln. Auf sich einwirken lassen. Selbstgespräche führen. I love it!


Bei -19°C war das dieses Mal doch kein Vergnügen und es bot sich die Möglichkeit einer Spazierfahrt an. Mit 295 PS waren 160 km fast ohne Stau durch Moskau während der Feiertage eine seltene Gelegenheit. Hinter der Fensterscheibe wechselten sich die Plattenbauten mit klassizistischen Kunstwerken, Denkmälern und modernen Wolkenkratzern ab. Bestimmt nicht nach Regeln fahrende Autos, ewig eilende Menschen, dreckiger Schnee, Matsch... Keine Charakteristiken zum Verlieben und doch reizt sie mich. Diese Stadt voller Widersprüche. So wie die unnötigen 295 PS dieses Autos, was ich gerade versuche lieb zu gewinnen. Denn in Moskau gibt es die längsten Staus der Welt. Sogar an Feiertagen fährst du teilweise 40 km/h... Also, warum das Ganze? Um schneller anzufahren, erklärt mir mein Fahrer. Ich nicke nur... ja, ja. Und diese weiße Farbe? Die Autos werden mehrmals in der Woche gewaschen. Nicht damit sie sauber sind, sondern damit sich der Dreck nicht "rein frisst"... Also, ein total unpraktisches weißes Auto mit 295 PS...

Während hinter dem Fenster die architektonische Landschaft sich abwechselt, wechseln sich im Radio die Lieder ab. Ein wolliges, kribbeliges Gefühl überkommt mich, denn das eine ist, mit dem Kopf zu verstehen und das andere mit dem Herzen. Ja, das habe ich vermisst... Nach einer Weile ertappe ich mich beim Gedanken, dass die Lieder, die ich im Radio höre, vieles gemeinsam mit den Liedern haben, zu denen ich gerne tanze. Die orientalischen Lieder treffen mich jedes Mal auf´s Neue, auch wenn ich es nicht will..


Automatisch fange ich an, beides zu vergleichen. Der Zugang zu den russischen Liedern ist mir offen, die Sprache, die Akzentuierung der Wörter oder der Silben, Atempausen, die versteckten Spielchen, Sarkasmus oder die Anspielungen, die nur die Russen verstehen können. All das, was mir hier so vertraut ist, ist in den arabischen Liedern fremd, auch wenn ich sie so liebe. Öfters habe ich mir beim Übersetzten der Lieder von einem arabischen Koch anhören müssen "das ist das und das aber es heißt nicht das, sondern hm... so wie... hm..." bis er es irgendwann für den Tanz einer Europäerin für unnötig hielt und aufgab. Was eigentlich verständlich ist. Ich habe schon öfters versucht, meinen deutschen Freundinnen unseren Aberglauben zu erklären. Es funktioniert nicht. Und ich denke, mit der Essenz des Orientalischen Tanzes verhält es sich genau so.
Wir übersetzen die Lieder für uns, geben dann aber auch bewusst oder unbewusst diese Übersetzung durch übertriebene und öfters europäische Gestik und Mimik an den Zuschauer weiter. Das ist meist auch europäisch und versteht die Lieder genau so wenig wie wir, und wird nur von der Gesamtwirkung beeindruckt. Die Orientalen würden in uns auch mit der gelernten orientalischen Gestik dennoch einen "Touristen" im Tanz sehen. Also warum das Ganze? Warum geben wir uns nicht mit der Interpretation der Musik, der Melodie, der Stimmlage, der Intonation, die genau das Gefühl unterstützen, zufrieden? 
Die Gedanken schweifen zum Workshop heute morgen. Thema - Klassisches Lied. Schöne Choreo a la Tito mit verschiedenen Levels der Energie vom Meister selbst ausgeführt. EINE EINZIGE Gestik setzte er in die Choreo ein. Shimmy, mit Hand auf´s Herz zusammen sinken... Während er jedoch tanzte, kamen ein Paar weitere hinzu. DOCH nicht wie wir uns das als Schüler wünschten. Er setze die Gestik ein oder eher sie kam aus ihm raus, je nach dem, was er gerade FÜHLTE. War der Schmerz seines Herzens, Ergebnis einer Verletzung und damit Beschuldigung als Aussage, änderte sich seine gesamte Tanzenergie und er zeigte auf die imaginäre Person. War die Aussage nur der Schmerz und damit er selbst als verletze Person, rückte er sich selbst als Opfer ins Vordergrund und änderte dazu die Gestik. "Man kann nicht zwei Mal in den gleichen Fluss steigen" (griech. Philosoph Heraklit), so kann man auch ein Lied nicht mit dem gleichen Gefühl zwei Mal tanzen. Und damit ist es auch absurd die Gestik zu choreographieren oder zu planen. Um es so authentisch einsetzen zu können wie Tito, sind wir in der "falschen" Kultur geboren worden. Auch wenn man die Sprache kennt, Lieder und Übersetzung auswendig lernt, schafft man nicht aus dem Bauch heraus es in DEM richtigen Moment authentisch (doppelgemoppelt - ich weiß) einzusetzen. Und die Schlüsselwörter. Gut sie zu kennen, aber manchmal hat man das Gefühl, dass die Tänzerin sich von einem Punk bis zum anderen zu bewegen scheint, wie von einer Haltestelle zu der nächsten, ohne auf die Verkehrsmitteln zu achten. Ist vielleicht das "Zeigen-wollen", dass man´s versteht, eine Übertreibung? Genau wie das weiße Auto mit 295 PS, was gerade wieder 40 km/h fährt...
Doch um die Widersprüchlichkeit des Ganzen zu betonen, kann man auch die Sicht auf das Auto wechseln? Man kann es auch so sehen - beschäftigen wir uns doch mit der Sprache, den Übersetzungen, der Gestik und all dem, was uns wichtig erscheint (also die 295 PS). Doch beim Auftritt fährt man dann nur 40 km/h, auch wenn´s schwer fällt. Konzentriert auf das, was allen Menschen zugänglich ist - auf die Musik. Interpretiert ihre Höhen und Tiefen der Melodie, die Gefühle und die Stolpersteine. Und wenn es einen durchdringt, durchströmt, durcheinander bringt und vor allem den Kopf ausschaltet, um dann nach außen zu strömen, wie ein Vulkan an Emotionen und all der Gestik und Mimik die damit zusammen hängt raus holt... in dem Moment bekommt alles, was man für unnötig oder noch zu früh oder noch nicht reif genug gehalten hat einen Sinn und die Geduld wird belohnt... Die nächste Frage, die aufkommt ist dann, hat man diese Geduld? 
Ich werde aus meinen Gedanken, durch lautes "Huppen..." von allen Seiten, herausgerissen und durch die (zu) hohe Geschwindigkeit in den Sitz gedrückt. Mein Fahrer lacht, "siehst du, dafür sind die 295 PS da"...



Freitag, 9. Januar 2015

Glaube an das Unglaubliche

Anastasya Korobova ist erst 11 Jahre alt, lebt in Russland, ist zierlich, schüchtern und scheint ein ganz normales Mädchen zu sein. Doch wenn die Musik erklingt, und Anastasya beginnt zu tanzen, bleibt dem Zuschauer der Atem weg und die Tatsache, dass das, was man sieht, real ist, ist so unglaublich, dass man es sehen muss, um es zu glauben. Zu ihren Referenzen gehören mittlerweile Engagements auf den besten Festivals im Ausland, mit ihr arbeiten die berühmtesten Choreographen (wie Natalia Fadda, Azad Kaan, Nadia Nikishenko u.a.) und sie zählt über zwei Hundert Goldmedaillen und Pokale. Diese Popularität hat das Mädchen ihrer perfekten Plastizität und Technik, wunderschönen und anspruchsvollen Choreographien, aber auch deren Verständnis und deren eigenartige Umsetzung und natürlich auch den Emotionen, die denen eines Erwachsenen gleichen, zu verdanken. Auf und hinter der Bühne ist ihre Botschaft die Liebe zum Tanz, der Wunsch, Freude zu bringen und der Moment, die Magie und die Schönheit des Tanzes zu fühlen. Ich habe Anastasya zum ersten Mal auf youtube gesehen und habe auch zuerst meinen Augen nicht getraut. Ein Jahr später traf ich sie auf einer Tanzreise in Istanbul und konnte nicht widerstehen, diesem Mädchen meine Begeisterung auszusprechen und sie kennen zu lernen. Aus dem Kennenlernen wurde Freundschaft. Wir trafen uns auf Festivals, facebook, scype und im Mai kam sie schließlich mit ihrer Mutter nach Deutschland zu dem „MartaInGermany“-Event. Im August waren meine Tochter und ich zu Gast bei ihnen in Nischni Nowgorod und lernten auch deren Alltag kennen. Weil es immer wieder kritische Diskussionen um sie, ihren Tanz und alles drum herum gibt, habe ich Fragen gesammelt (an dieser Stelle ein Dankeschön an Anna-Lena Tylle (Studentin der Sozialpädagogik.), Mela Malaica, Susanne Hilse „Bellydance-Dreams“ und Kinder aus meinen Kindergruppen), und Anastasya und ihre Mutter Swetlana haben diese gerne beantwortet. Mit diesem Interview hoffe ich einige Fragen aus der Welt zu schaffen und damit die vorher geäußerte Kritik zu mildern und vielleicht ein Paar neue Fans anzusprechen. Anastasya ist noch ein Kind und tanzt weder wegen Ruhm noch wegen Geld. Sie tanzt aus dem Grund, aus dem jede von uns mal angefangen hat zu tanzen - aus Begeisterung und Liebe...


Swetlana, Anastasya tanzt seit ihrem dritten Lebensjahr, wie hat alles angefangen? Und wer ist oder war ihr prägender Lehrer?
Swetlana (schmunzelt): ich habe selbst getanzt und Anastasya war seit ihrem zweiten Lebensjahr immer mit mir zum Unterricht. Mit drei fing Sie selbst an zu tanzen und war eines der wenigen Kinder der Schule, jetzt haben wir über hundert. Mit vier präsentierte sie die Schule auf der Bühne. Kristina Shishkina ist ihre erste Lehrerin. Bei ihr trainiert Anastasya bis heute Bellydance und Standard & Latein Tanz.

Anastasya, auf der Bühne sehen wir eine grandiose Leistung und, weil die meisten der Leser auch selbst tanzen, wissen wir wie viel Training das erfordert... Wie oft und wie trainierst du in der Woche? Machst du noch andere Sportarten? Und was machst du in deiner Freizeit?
Anastasya: Ich trainiere durchschnittlich 1,5 Stunden pro Tag. Zu meinem Training gehören neben dem Tanztraining auch Standard Tanzen, das Schwimmen, Balletttraining an der Stange. In meiner Freizeit treffe ich meine Freundinnen und unternehme irgendwas. Im Sommer fahre sehr gerne zum Meer...


Wenn Du reist, bekommst du auch die Städte zu sehen?
Anastasya: Ja. Ich liebe Reisen, durch die Städte zu bummeln, mir alles anschauen zu können und zu shoppen.

Fürst du ein Tagebuch oder Album mit Erlebnissen?
Anastasya: Ein Tagebuch

Was hat dich zum Tanz inspiriert?

Anastasya: Ich liebe die Musik, die Bewegungen, und die Art und Weise wie beides zusammen kommt...
Wer war dein prägender Lehrer?
 Hast du Vorbilder?
Anastasya: Meine Lehrerin Kristina... weil ich bei ihr seit meinem 3. Lebensjahr bin und sie mir sehr viel beigebracht hat. Sie trainiert mich und begleitet mich zu den Meisterschaften. Die Choreographien machen wir bei verschiedenen namhaften Choreographen (Azad Kaan, Natalia Fadda, Olga Nur, Nadia Nikishenko..) aber diese auszuarbeiten, ist die Arbeit unserer Kristina...
Delanna: Wer kreiert und näht Anastasyas Kostüme?
Swetlana: Wir haben unsere Näherin, und zusammen realisieren wir meine Ideen...

Viele staunen, wie Anastasya das alles unter einen Hut bekommt? Wie lässt sich das in so jungen Jahren alles vereinbaren, ohne das irgendwas auf der Strecke bleibt? Schule, Freunde, Training, Auftritte usw. Wie gehen du und Anastasya mit der Schulbelastung und den Reisen in andere Länder bzw. innerhalb des eigenen Landes zu Festivals/Wettbewerben/Shows etc. um?
Swetlana: Wir haben eine klare Organisation für die Schule, Tanzen und Erholung. Man braucht nur den Willen...und Belastung... Wir fahren auf die Meisterschaften seit 5 Jahren, die Belastung kam nach und nach und wir sind mit ihr auch gewachsen, deswegen empfinden wir selbst das als Routine und keine Belastung.
Delanna: Anastasya, mit deinen 11 Jahren hast du schon sehr viel, wovon Mädchen in deinem Alter nur Träumen können. Sehr viele Beobachter interessiert, was du noch erreichen möchtest.
Anastasya (versinkt kurz in Gedanken): Ich möchte einfach weiter tanzen.

Fangfrage:) wo siehst du dich in 5 Jahren? Und willst du, wenn du älter bist, beruflich Tanzen?
Anastasya: Als Trainer in einer großen Tanzschule (lacht). Und erzählt strahlend, passend zum Thema, ihr großes aktuelles Ereignis. Vor ein Paar Wochen hat sie einem Mädchen eine eigene Choreographie beigebracht... Oh, nein, kein Tanz-Beruf. Ich wünsche mir, dass das Tanzen mein Hobby bleibt.

Swetlana, wie stehst du dazu, dass der Bauchtanz doch ein eher weiblicher und erotischer Tanz und Anastasya noch ein Kind ist?
Swetlana: In unserer Mentalität gehört zu einer guten Allgemeinbildung neben der schulischen Lehre auch die Lehre der schönen Künste. Dazu gehört auch das Tanzen. Anastasya tanzt den Orientalischen-Bühnen-Tanz... In erster Linie sehe ich die Schönheit des Tanzes, seine Grazie, die Eleganz und Emotionen, die positiven Auswirkungen auf mein Kind. Es geht um den Charakter des Tanzes und das „WIE“ er getanzt wird. Man kann jeder Tanzrichtung einen erotischen Charakter geben... Ich habe eine TOCHTER, sie wächst irgendwann zu einer Frau, die Weiblichkeit ist ihr quasi in die Wiege gelegt worden. Wir hätten diese Tatsache natürlich auch in einem Sport wie Karate verstecken können (lacht), aber die Wahl fiel auf den Tanz… Im Training geht es um die Darstellung des Tanzes, die Positionierung des Körpers, um Verdecken der erotischen „Teile“... Schauen Sie sich im Ballett die zweite Position und all die Drehungen, Sprünge mit einem Knie auswärts an oder rhythmische Gymnastik mit nackten Beinen und anliegenden Bodys an... wo ist mehr Erotik? Und dass der Orientalische Tanz leider diesem Verruf unterliegt, werde weder ich noch eine andere Mutter ändern können.

Was meinst du, was lernt deine Tochter durch den Orientalischen Tanz?
Swetlana: Die Darstellung oder die Präsentation, Benehmen ;), Disziplin, Ausdauer, Selbstbewusstsein (gerade in Russland sehr wichtig), Weltoffenheit.

Swetlana, was machst du, wenn Anastasya von einem Tag auf den anderen entscheiden würde nicht mehr zu tanzen?
Swetlana: Im Moment ist Anastasya verliebt in den Tanz und ich liebe ihre Leidenschaft mit und unterstütze sie soweit es geht. Sollte es zu dieser Entscheidung kommen, werde ich es akzeptieren...
Aber wie schon erwähnt, das ist ein Teil der Allgemeinbildung. Wir investieren in die Entwicklung des Kindes ALLES - Zeit, Geduld und Geld. Das Ziel dabei ist, dem Kind alle Möglichkeiten zu öffnen, was es daraus für sein späteres Leben gebrauchen wird, wird sich noch zeigen...




Wie gehst du mit Kritik um?
Swetlana: Dazu fällt mir ein Zitat von Mohamed Ali ein: „wenn man im Recht ist, erinnert sich niemand dran. Wenn man im Unrecht ist, vergisst es niemand“. Wir verfolgen unsere Ziele, Träume und Visionen. Und wenn man so präsent in der Öffentlichkeit steht, wie Anastasya, dann muss man auch mit Kritik rechnen. Aber Kritik und Wertung sind zwei Paar Schuhe... Anastasya tanzt nicht um zu gefallen, sie tanzt, weil es ihre Begabung und Leidenschaft ist...

Passiert manchmal, dass Anastasya keine Lust auf Training hat?
Swetlana: Nein.

Was hältst du von der europäischen Szene:
Swetlana: Alle Kinder fühlen sich zum Tanz hingezogen, ich sehe auf jeder Competition den gleichen Durst nach dem Tanz, die gleiche Begeisterung der Kinder. Für die Ergebnisse, die die russischen Kinder erzielen, fehlt noch, denke ich, die Ausdauer und die Verbissenheit oder vielleicht auch der Einsatz der Eltern.

An dieser Stelle ein kleiner Einblick in die Wettbewerbsstruktur in Russland.
Swetlana: Das ist ähnlich wie bei dem latein-amerikanischen, man sammelt Punkte und wächst so von einer „Stufe“ in die nächste. Das erfordert eine reguläre und geduldige Teilnahme an den Meisterschaften und verbessert die Fähigkeiten und die Qualität. Man braucht mind. drei Jahre, um von der Anfängerstufe in die höchste Stufe aufzusteigen. Durchschnittlich sind mind. 6 Wettbewerbe pro Jahr bis 4 pro Monat... Wenn man sich für den Weg des Wettbewerbes entscheidet, spielen die einzelnen Plätze nicht so eine große Rolle, die Gesamtentwicklung ist wichtig und wird „belohnt“.

Abschließend Motivation für Kinder und Eltern
Swetlana: Den Kindern wünsche ich Mut und Neugierde um sich in verschieden Sphären auszuprobieren.

Und für die Eltern - Standpunkt wechseln, zumindest offen sein, flexibler gegenüber dem Neuen und Unbekannten und manchmal dem Unmöglichen sein!


Zum Unmöglichen auch ein Zitat von Mohammed Ali:
„Unmöglich – das ist nur ein sehr lautes Wort, hinter dem sich kleine Leute verstecken. Für sie ist es einfacher in einem im gewohnten Umfeld zu leben, als die Kraft zu finden etwas zu verändern. Unmöglich – ist kein Faktum. Das ist nur eine Meinung. Unmöglich – ist kein Urteil. Es ist ein Aufruf. Unmöglich – ist eine Chance sich selbst zu verwirklichen. Unmöglich – ist nicht für immer. Unmöglich ist möglich.“





Anastasya live in Deutschland am 31.05.2014 bei TOTAL ORIENTAL in Nürnberg und am 07.06.2014 bei "360° ORIENT" in Osnabrück.

Interview für HALIMA 2. Quartal 2014