Freitag, 13. Dezember 2013

10 Gedanken von Raksan


Raksan aus Berlin ist für mich eine Ausnahmekünstlerin und so habe ich mit ihr auch ein „etwas anderes“ Interview geführt. Passend dazu zuerst ein Paar eigene Gedanken zum Thema Improvisation.
Improvisation... war mein persönlicher Start mit dem Tanz. Fünfzehn Minuten, eine Box, Musik von Mickie Krause über Black bis Techno. Fünfzehn Minuten ununterbrochener Bewegung, guter Laune und Strahlen. Die Atmosphäre aufnehmen, sich auf die Musik einlassen. Noch keine Kunst, aber es war Tanzen....
Mit der Orientalischen Szene in Berührung gekommen, lernte ich Choreographien kennen, eine Menge Choreographien. Heute bin ich wieder auf der Suche nach dem Glück des Anfangs, das irgendwo auf der Strecke geblieben ist. Für den Tanz. Ich dachte es läge an mir, hab mir Tänze machen lassen, nix... ich spüre den Tanz nicht... ich möchte aber zurück zu dem Gefühl, mit dem ich mal vertraut war. Wenn ich Woche für Woche auf Festivals bin, sehne ich mich danach, endlich wieder im Restaurant zu tanzen, mit meinem Tanz zu kommunizieren, zu improvisieren, ich sein zu dürfen - auf der Bühne gelingt mir das nicht mehr. Zu viel Respekt wurde mir beigebracht. Doch was heißt eigentlich Respekt vor der Bühne oder vor dem Tanz zu haben? Verliere ich ihn tatsächlich, bin ich nicht mehr professionell, wenn ich meine Raumwege und Kombis, Eingang und Ausgang, den introvertierten und extrovertierten Moment nicht genauestens und unwiderruflich bis ins Detail festlege und sogar den Ausdruck plane und an den richtigen Stellen "einbaue"?
Aktuell, auf meinem letzten Festival sprach Khaled Mahmoud zu uns ehrgeizigen und zielstrebigen, tanzen wollenden Seminarteilnehmerinnen über die Schönheit des Orientalischen Tanzes. Es herrschte Stille. Wie Mäuse waren alle. Konzentriert. Es folgte ein lauter Applaus und "Bravo" Zurufe und später, auf der Bühne, tanzte dann doch jede eine Choreographie und fragte hinterher nach dem Feedback...
Neben meiner eigenen Suche nach einem Ausweg aus dem Kreislauf geht es mir auch um meine Schüler. Ich bin auf der Suche, aber ich kenne das Gefühl des völligen Auflösens und Aufgehens in der Musik und wenn ich es wieder finde, dann habe ich auch meinen Weg zu schätzen. Aber wie bringe ich meinen Schülern etwas bei, was weder greifbar, noch erklärbar, noch anschaulich zu sein scheint? Vor allem in einem Land wie Deutschland, wo alles strukturiert ist, gut erklärbar, nachvollziehbar und logisch sein muss? Und dementsprechend auch die Erwartungen an das Training gestellt werden? Technik ist logisch, Tanzen auch und irgendwie doch nicht. Tanz folgt einer Ordnung, aber ist eben nicht nur nach rechts und links und diagonal... Ich sehe die tänzerische Entwicklung in Phasen und jede trägt zu der "richtigen" Zeit die meisten Früchte. Es gibt Zeit für ägyptischen Stil, die Nostalgie, für Folklore, Zeit für jom, für Bellydance Evolution, für Competitions, für die Improvisation und Raksan.

Ich erinnere mich an meine erste Begegnung mit dem Unterrichtstil von Raksan. Am Anfang eine Reaktion der Barriere und Ablehnung. Doch dann holte sie mich mit einer ihrer Methoden ab und die restlichen vier Stunden glichen 20 Minuten. Es war faszinierend, was für ein Händchen sie für jede Teilnehmerin hatte und wie sich jede zu öffnen und zu verändern begann. Etwas ablegte, etwas nahm und etwas gab. Das eine ist, die Menschen zu trainieren, das andere ist, sie zu bewegen! Ich habe nach dieser Erfahrung und der Entwicklung der Frauen, die ich während "Secret Lila" (2012 in Osnabrück,  die Bilder sind Momentaufnahmen der Aufführung) beobachten konnte eine Faszination für Raksan entwickelt, betrachte sie als eine sehr starke Tänzerpersönlichkeit. Entgegen den Trends, Meinungen und Politik der Szene hält sie an dem fest, woran sie glaubt, bleib sich selbst, dem Tanz und ihren Schülern treu, egal was für ein Risiko sie damit eingeht. Dass es in der TAI: TOOLs - Fortbildung, die im März startet, schon jetzt nur noch 1/3 Plätze zu vergeben sind, zeigt, dass tatsächlich viele Tanzlehrerinnen wie ich auf der Suche nach einem Schlüssel, nach einer Fähigkeit und Fertigkeit sind, um auf der Suche nach mehr Freiheit und Emotion im Tanz ein Stückchen weiter zu kommen. Während einer Email-Konversation mit Raksan, hatte ich den spontanen Einfall, ihr "Spiel" umzukehren und ihr die Impulse zum Nachdenken zu geben; schnell hatte ich 10 Gedankensplitter, begonnene Sätze zusammen, die sie weitergeführt hat. Ein gewöhnliches Interview wäre zu einfach :) Und das ist daraus geworden:






Die meisten denken... in unserer „Szene“ noch immer, dass das Improvisieren vor dem heutigen Hintergrund des forcierten Strebens nach einer Professionalisierung des OT in Performance und Unterricht keinen Platz hat. Hartnäckig wird der Begriff des „freien Tanzes“ eher negativ besetzt und mit Beliebigkeit, Zufälligkeit, nicht ausreichend Geübtem assoziiert. Im besten Falle von Darsteller und Publikum vielleicht spontan als unterhaltsam empfunden, aber eben nicht wiederholbar und somit keine Kunst im Sinne von Können. Nur Amateure improvisieren, Profis oder Leute, denen es mit ihrem Hobby ernst ist, widmen sich der Technik, immer spektakuläreren Choreographien.
Ein Missverständnis.
Natürlich ist die orientalische Tanzsprache, traditionell wie modern, eine hoch komplexe Ausdrucksform. Ihre physischen Aspekte, ihr Vokabular gilt es zu verstehen und gegebenenfalls durch Vermischung mit anderen Tanzstilen zu erweitern. Dazu gehört, wie in jeder Kunst das Üben, eine Festigung der technischen Grundlagen, also ein gezieltes Training, um den Körper wie ein Instrument zu stimmen. Aber oft genug mündet ein ausschließlich auf dem Vermitteln von Tanztechnik aufgebauter Unterricht in einer dem Sport ähnlichen und dann in letzter Konsequenz wettbewerbsorientierten, rein leistungs- und ergebnisbezogen Struktur.
Das ist schade, es gibt so viel mehr zu entdecken!
Denn der Zauber des Orientalischen Tanzes entspringt vor allem aus der Fähigkeit eines Tänzers, sich auf das „Jetzt“ einzulassen und zum Katalysator der Stimmung im Raum zu werden, Körperempfinden und Emotion mit Hingabe zu teilen. Ein feines Zusammenspiel zwischen individuellem und kollektivem Empfinden, ganz und gar individuell und doch im Gleichklang. Gelingt dieses, kann ein kommunikatives Energiefeld entstehen, das nicht nur die miteinander Tanzenden, sondern auch die passiv Zuschauenden erfasst und eine starke Faszination ausstrahlt. Das arabische "Tarab", das spanische "Duende"beschreiben diesen Zustand der gesteigerten Wahrnehmung, des Aufgehens im Moment, den berühmten "Musenkuß":
Und alle diese Dinge sind wundersamer Weise ganz unabhängig von einem wie auch immer gelagerten Idealbildern oder Moden, von ästhetischen Schablonen, ein Stück weit spielt sogar die mitgebrachte tänzerische Vorbildung keine Rolle – wenn die innere Haltung und damit die Aussage stimmt, sich ganz eingelassen wird.
Improvisation ist für mich vor allem als Lehrerin DAS Mittel geworden, Technik und Ausdruck, Logos und Seele, persönliche Einzigartigkeit und Tradition zu verbinden. Und das hat so rein gar nichts mit einem „Piep Piep Piep, wir haben uns alle lieb“ oder „ich improvisiere, weil ich mir eh keine Choreographie merken kann“- Dilettantismus zu tun.
Improvisation fördert und fordert: Konzentration, Hingabe, Fokussierung auf Aufgabenstellungen. Schafft Rahmen, setzt Grenzen, verlangt eine Menge Einsatz. Aber dann kommt mit dem „Flow“ und dem spielerischen Verlassen der Komfortzonen ein unerwarteter Genuss, Staunen, verblüffende Kraft und Wucht. Stephen Nachmanowitch sagt in seinem empfehlenswerten Buch „Freeplay“: „Man kann alles auf dreierlei Art und Weise tun: als Kunst, als Handwerk oder als Schinderei“. Impro ist das Erste und das Zweite und wandelt den dritten Punkt in Freude am Üben und Tun. Deswegen steht auf meinen TAI – Ausschreibungen: „offenes Level“. In diesen Klassen herrscht keine Hierarchie, die in Gang gesetzten Prozesse bieten für jede TeilnehmerIn ganz individuelle Anstöße. Orientalischer Tanz als (Alltags)Kunst ist für mich zutiefst demokratisch und die Grenzen zwischen Profis und sogenannten Laien verschwimmen in meinen Klassen zunehmend, definieren sich manchmal ganz neu.

Es gibt nichts...“Gutes, außer man tut es“. Der Gedanke, eine TAI (TanzAusdruckImprovisation) – Fortbildungsreihe für LehrerInnen anzubieten, gärt schon seit längerem. Vor ca.10 Jahren habe ich begonnen, Workshops zum Thema „Impro“ zu geben. Und das Bühnentanzprojekt „Secret Lila“ ist mittlerweile 7 Mal durch Prozess und Aufführung gegangen. Immer wieder bekam ich nach einem TAI-Wochenende oder nach dem Abschluss eines „Lilas“ besonders von den Lehrerinnen unter den Teilnehmenden die Rückmeldung, dass die kennengelernten Vorgehensweisen in den eigenen Unterricht Einzug gehalten haben, mit verblüffendem Ergebnis. Da tanzen plötzlich auch diejenigen im Kurs, die erst kurz dabei sind, völlig losgelöst und selbstverständlich, werden „Mauerblümchen“ zu Energiebündeln und kreativen Quellen, das Konkurrieren um den besten Platz in der Nähe des Lehrers vorm Spiegel wird zu einem Miteinander. Allerdings ist in der Improvisation die anleitende Rolle eine andere als die des ausführenden Parts. Das Wissen um Methoden ist die eine Seite. Wer Impro unterrichtet, muss sich hingeben, mit der Klasse im Fluss sein und darf doch nie die Fäden aus der Hand geben. Gut vorbereitet in eine Stunde zu gehen, ein Konzept zu haben und ein Ziel zu verfolgen gehört genauso dazu wie flexibel und bereit zu sein, alles dem Moment zu opfern, opfern zu können. Daher Tai: TOOLs. Es geht hier nicht um bunte Karteikarten oder um durch genormte „Einmalimmerso-Bauklötze,“ sondern vielmehr um das Erforschen und Erfahren einer genauso strukturierten wie individuell variierbaren Methodik. Wer hier Feuer fängt, kann Orientalischen Tanz sehr modern und doch (wieder) nah an seinem Kern unterrichten, sehr diszipliniert ( das ist kein Widerspruch!) Freiräume schaffen, als Lehrer selber Spaß haben und Überraschendes zulassen.


Der Tanz ist … jetzt seit 28 Jahren mein Beruf und unverändert neben meiner Familie mein Lebensmittelpunkt. Er ernährt mich nicht nur im materiellen Sinn, sondern bestimmt meinen Alltag und mein Denken zu großen Teilen. Er ist Freund und Feind zugleich. Ich danke ihm, liebe ihn, hasse ihn und hätte gerne meine Ruhe - und kann dann doch nicht „ohne“. Immer wieder zwingt mich mein Leben als Freiberufler zu dem Einschlagen von unbekannten Wegen, hält Spiegel vor. Der Preis für die Freiheit, eine Leidenschaft zum Broterwerb gemacht zu haben, ist manchmal ganz schön hoch. Der Lohn dafür manchmal... ganz schön niedrig.
Aber ich möchte nicht tauschen, denn:
Wir tanzen nicht den süßen netten “ nimm` mich”-Tanz, sondern den “Lass die Katze aus dem Sack”-Tanz, den „lebe die Magie des Augenblicks“-Tanz. Den „wir ehren den Augenblick mit unseren Händen und Füssen“ - Tanz.
Wir tanzen nicht den „Brüste schütteln & Hintern wackeln“-Tanz, sondern den Tanz, der die Traurigkeit aus allen Knochen vertreibt, den Tanz, der uns unsere Würde zurückgibt.
Wir tanzen nicht den Affentanz mit drei Schritten nach rechts und drei Schritten nach links und dann geradeaus, sondern den Tanz, der Gräber aufreißt und alle verheilten und nicht verheilten Wunden bloßlegt, den Tanz, bei dem Rhythmus und Herzschlag eins sind.
Wir werfen keinen unauffälligen Standard-Tanz aufs Parkett. Wir tanzen nicht das nette, unauffällige, in sich selbst versunkene Herumgeschiebe, sondern einen Tanz, wo unsere Haare fliegen, unsere Flügel ausgebreitet werden, der unsere Käfige aufbricht und unsere Krallen wetzt, wir tanzen unseren Weg zurück ins Licht der Liebe.
Wir tanzen nicht, um ein bisschen herum zu tänzeln und dabei nur ja nicht außer Atem zu kommen, sondern wir tanzen die Kathedrale unseres Körpers, wir tanzen, um unsere Seele auszubreiten, um zu spielen, zu fliegen und um zu beten im Tempel unserer Haut.“
So ist es. Jeh älter ich werde, desto näher ist mir diesem hinreißenden Aufruf von Jewel Mathieson
mit lieben Dank an Gabriele Schroetter aus Südtirol, die ihn aus dem Englischen übersetzt und mir geschickt hat.

Es fehlt mir schwer... zu glauben oder gar zu akzeptieren, dass Tänzerinnen meiner Generation ohne kosmetische Verjüngung auf Mitte 30 ihren „Bühnenberechtigungsschein“ verlieren. Meine eigenen Tanzheldinnen waren zu Beginn meiner Laufbahn allesamt über 40. Jetzt bin ich 53, nehme meine grau werdenden Haare an und stelle fest, dass mir silberne Strähnen besser stehen als jede noch so brillante Farbe von Lòreal. So gut, dass ich graue Extensions einflechten lasse. Meine Kostüme haben sich schon vor Jahren angepasst, nicht nur meinen wilden Bodenparts wegen, sondern sie hüllen auch meinen Körper ein. Keine nackte Haut, egal ob jetzt faltig oder früher noch nicht, einfach keine Projektionsflächen mehr. Zeitgenössischer orientalischer Tanz? Ich beschäftige mich so lange damit, dass ich ihn als mein Medium betrachten darf, auch wenn meine Knie nicht immer ins Grand Plie wollen. Das zeitgenössische Element besteht ja nicht nur aus hohen Beinen oder einem Sprung in den Spagat. Es ging mir damit von Anfang an um mehr als ein erweitertes technische Repertoire und um schicke Showeffekte. Es geht mir vor allem um eine Reife in der Darstellung. Ich selbst habe mich dem Tanz nie näher gefühlt als jetzt.Und wie schon in „Secret Lila“: in meinem aktuellen Tanztheaterprojekt „Don`t climb the Pyramids“ spielt das Alter der teilnehmenden Frauen eine eigene Rolle, ist eine interessante, individuelle Farbe, ein Ausdrucksmittel, egal ob Mitte 20 oder Jahrgang 1960! Die Heterogenität des Ensembles ist nicht das Manko, sondern die Aussage selbst.

Heute ist (oder besteht oder wichtig für) mein Leben... siehe oben! Was sich aber geändert hat: ich brauche mehr Erholungsphasen. Schlafen ist wichtig. Die ausgedehnten Spaziergänge mit meinem Hund. Meine Tochter durch die Pubertät zu begleiten ist wichtig. Mein Mann steht auch in der Woche fast jeden Abend auf der Bühne oder gibt Impro-Theaterkurse, ich gehe ins Training, unterrichte in der ETAGE, bin meist am Wochenende unterwegs – gemeinsame Zeit mit ihm ist wichtig. Meine Freunde sind wichtig, „bei mir bleiben“ ist wichtig.

Ich kann nicht leiden... wenn ich Stockfisch essen soll. Ich bin ostfriesischen Geblüts, Hamburgerin und mit sämtlichen Fischgerichten dieser Welt seit Kindesbeinen vertraut. Aber Stockfisch? Ne. Außerdem hat meine kluge Großmutter alle Menschen, denen es ihrer Ansicht nach an Humor oder Esprit fehlte, generell unter diesem Begriff (mit spitzen „St“) zusammengefasst, vielleicht auch daher meine Aversion. Spontan füge ich noch „Kaugummi kauen mit offenem Mund und Dauertelefonieren im öffentlichem Raum“ hinzu: ich beantworte diese Frage in einem vollen Zug nach Stuttgart und versuche irgendwie die Geräusch-Kakophonie meiner Sitznachbarin zu ignorieren. Seit wann bin ich eigentlich so zickig? Ausatmen!
Was ich aber so richtig schlimm finde? Plagiate, das „Abkupfern“ von Ideen. Auch das ist wohl mit der Muttermilch eingesogen, denn mein Vater war Fernsehmann in den 1960èr und 1970èr Jahren, seine Firma hat neben der Synchronisation von amerikanischen Serien wie “Bonanza“auch viel Werbung produziert. Ein guter Einfall erzeugte sofort eine Welle von Nachahmern... mein Vater war ein sehr gutmütiger Mann. Aber dann wurde er wütend. Was heute so los ist, würde ihn rasend machen. Später dann, während eines Engagements im Circus Roncalli, habe ich Bernhardt Paul als lebende Dekoration zu einem Interview begleitet. Langweilig, aber dann antwortete er auf eine Frage wie oben: „Gedankenklau“. Habe ich nie wieder vergessen und mir geschworen, selbst dieser Versuchung, sollte sie auftauchen, zu widerstehen.
Ich bin geübt darin, mir eigene Gedanken zu machen und empfinde das als eine meiner wichtigsten Aufgaben als Künstlerin. Aber es wird immer schwieriger, denn durch die jederzeit verfügbaren Eindrücke, Informationen und das gefühlte „immer schneller, immer weiter“ entsteht auch bei mir der Eindruck, in viel kürzeren Abständen handeln, produzieren zu müssen als meine inspirative Quelle sprudelt. Da könnte durchaus ein Klick mit der Maus Erleichterung bringen Meine Lösungen dafür: raus mit dem Hund. Den PC auslassen, improvisieren. Akzeptieren, dass manche Dinge Zeit und einen Prozess brauchen. Und wenn ich doch mal etwas übernehme, die Quelle nennen. Öffentlich. Bitte. Danke schön!
Besser noch, die Quelle nennen UND die Inspiration variieren. Sonst decken sich nicht nur die angewandten Techniken Formulierungen, sondern auch der Inhalt und die Botschaft. Letzteres passiert so oft in unserer Szene! Ob im manchmal „unschuldigen“ Falle von „ist im Netz, auf der Bühne, ist meins“ oder ganz bewusst ausgeführt: nicht nur dem Beklauten wird geschadet. Eine sich durch die heutigen schnellen Verbreitungswege vervielfältigende Kopie verflacht im Zeitraffertempo das Originäre zur Plattitüde - und das schadet einer ganzen Sparte, nimmt ursprünglich wirksamen Werbemitteln die Wirkung, Stilistiken ihre Aussage, verhindert Vielfalt, sprich fördert den Ausverkauf und den Übersättigungseffekt, den wir alle spüren. So.
Und füge noch hinzu: ich kann es auch nicht leiden, wenn bei Auftritten, wo auch immer, im Publikum via Handy mitgefilmt wird. Eine Hand am Smartphone – wie soll da noch applaudiert werden? Im Ernst, der Moment der Darbietung ist nun mal vergänglich, das ist das Schöne am Tanz. Es ist so viel besser, ihn direkt und mit allen Sinnen zu genießen! Und die Eindrücke im Herzen und nicht per Video mit nach hause zu nehmen.

Die moderne Welt … tickt mir zu laut, das gebe ich zu. (Meine Nachbarin im ICE telefoniert noch immer. Und weil der Typ gegenüber auch wieder Empfang hat und dagegen anredet, hat sie jetzt ihren Lautsprecher angestellt. „Hallo Mama !Erzähl mal!“ Aha, sie telefoniert mit ihrer Mutter. Schön, dass die beiden sich gut verstehen – ich tu`s auch. “Entschuldigung, könnten Sie...?“) Ansonsten, ab wann ist denn die Welt „modern“ und ich aus einer anderen Zeit? Die Frage stelle ich mir immer wieder und meine besten Ratgeber sind meine Kinder. Wir reden viel, ich werde beruhigt oder angeschubst, je nachdem.

Facebook bedeutet... so einen Schubser. Ich habe mich diesem Medium so lange verschlossen, dass die Eröffnung meines zum jetzigen Zeitpunkt gerade ein paar Tage alte fb – Accounts fast eine Sensation war. Ich bin gespannt, was sich nun so tut, bleibe aber moderat. Mit Vorsicht und mit Massen zu genießen, würde ich sagen. 




Inspiration... unser innerster Antrieb. Nicht das Netz, wie es uns der TV-Spot der Telecom weis- bzw. pinkmachen will. Das Internet ist voll von fantastischen, tollen, lustigen, nachdenklichen, wichtigen Einfällen. Aber es sind die Einfälle anderer, schon da. Das wahre Leben hält da besseres bereit. Eigenes. Zum Beispiel in einer Tanzklasse... wenn improvisiert, gespielt, kreativ etwas geschaffen wird, was es so noch nie gegeben hat!

Träume... vielevieleviele! Und jetzt ist nicht nur die letzte Frage beantwortet, sondern auch die Schnattertaschen von nebenan und gegenüber sind fertig. Sie scheinen friedlich zu schlafen... Stille!! Dann kann ich jetzt meinen alten DELL zuklappen und das tun, was ich am Reisen mit dem Zug am Schönsten finde, nämlich meinen Gedanken nachhängen, mit offenen Augen vor mich hinträumen.



Rrrriiing!!! Das ist mein Telefon. War doch leise gestellt? Egal, ist meine Tochter! „Hallo Schatz, erzähl mal...“ 

Sonntag, 10. November 2013

Interview mit Verahzad


Meine erste Gesprächspartnerin ist Verahzad. Sie gab mir als erste weibliche Tänzerin die Chance, ich zu sein, meine Tanzideen auf ihren Shows zu zeigen und die Choreographien ihren Schülerinnen bei zu bringen. Sie traf auf mich gleichberechtigt und nicht als Lehrerin, zu der sie allerdings dann über die Jahre wurde. Philosophieren, beraten, zuhören, sich mit mir aufregen, manchmal auch in den Allerwertesten treten ;). Ich liebe sie, weil sie in dem ganzen System "Szene" ihren Platz gefunden und erhalten hat. Aber was viel wichtiger ist, neben der Tänzerin sich auch mit der Seite "Mensch" beschäftigt, pflegt und zeigt.

Verahzad, startete mit dem orientalischen Tanz Ende der 80er Jahre und beschloss erst 10 Jahre später Auftrittstänzerin zu werden, was sie bis heute noch ist. Sie zählt zu den Tänzerinnen, die ihr Lebensunterhalt, zwischenzeitlich auch Alleinerziehend durch das Tanzen verdient. Unzählige Arbeit mit arabischen Tänzerinnen, türkischen und arabischen Musikern, Reisen nach Cairo, um die Kultur kennenzulernen und später zum Ahlan Wa Sahlan Festival, Modeln für die Designerin Amira el Kattan, enge Freundin von Sarah Saeeda und Lulu Sabongi, und der Glaube an die innere Kraft der Frau und den Orientalischen Tanz als den Schlüssel dazu sind nur ein Paar Stichpunkte aus einem erfahrungsreichen Tanzleben. 





Über deinen Tanz und dein Leben
Tja , das ist wohl ein abendfüllendes Thema... Da mich der Tanz seit über 20 Jahren begleitet, müsste ich über mein Leben in dieser Zeit berichten. Die wichtigsten Stationen raus zu picken gestaltet sich eher schwierig. Bemerkenswert waren immer meine Kontakte zu meinen Lehrerinnen, die gemeinsam mit meiner Lebenssituation neue Anstösse gaben. Am Anfang waren es wohl Samra, die mich mit meiner persönlichen Einstellung zu Sinnlichkeit und dem Thema Weiblichkeit konfrontiert hat, Sharazad, durch die ich in Oberlethe den Einblick in die Bandbreite und Spiritualität des Orientalischen Tanzes eintauchen konnte, und Beata (damals Zadou), die durch die Ballettorientierung Bestätigung gab, an klarer Tanztechnik zu arbeiten, was mir sehr entgegen kam, da ich selber Ballett gemacht hatte. Als dann Karim Izadi Sterne der Orientalischen Tanzshows in Deutschland organisierte und gleichzeitig ein Boom ausgelöst wurde, eröffnete ich eines der ersten Tanzstudios in Deutschland. Wir luden mit mehreren Sponsoren Internationale Dozenten (Nadia Hamdi, Hoda Ibrahim, Amaya u.a.) ein und organisierten gemeinsame Workshoptourneen. Zu dieser Zeit war es eine sehr persönliche Szene, in der tolle Freundschaften entstanden und wir uns mit unseren Problemen austauschten, unsere Euphorie teilten. In dieser Zeit war Sahra Saeeda, damals noch in Ägypten tätig, eingeladen und wohnte eine zeitlang bei uns. Sie ist seitdem jedes Jahr in Deutschland und eine meiner besten Freundinnen geworden. Meiner Meinung nach eröffnete sie uns Tänzerinnen allen eine neue Orientalische Tanzwelt: sie baute ein Fundament und eine Brücke zum Orient auf, in dem sie uns die Welt des Ägyptischen Tanzes erklärte. Für mich erschloss sich dadurch nach der Zeit des Sammelns von Informationen eine neue Welt der Tanzethnologie, Berücksichtigung der Orientalischen Mentalität, Musik und Kulturkunde und neue Sichtweisen auf ein Gesamtkonzept als Tänzerin. Als Folge musste ich vor Ort mit dem Original lernen, mit Live- Trommler, den Geruch Kairos einatmen, die Pyramiden anschauen, Tänzerinnen vor Ort tanzen sehen,  die ägyptische Herzlichkeit kennen und lieben lernen, die Verehrung und Verachtung von Bauchtänzerinnen erleben usw. Ich glaube, mit Gamila und ein paar Schülerinnen von mir waren wir die ersten Deutschen, die bei dem kleinen ägyptischen Festival Ahlan wa Sahlan dabei waren. Boom, und wieder eine neue Etappe: überall auf der Welt gab es grosse Tanzstudios, wobei jede Nation ihre typischen Prägungen hat. Ich lernte sehr viele Südamerikanerinnen kennen, aber auch Nordamerikanerinnen, Europäerinnen, sah Souhair Zaki bei ihrem letzten WS, erlebte die Ergriffenheit einer Tanzgemeinschaft für ihr Lebenswerk (250 Frauen, die minutenlang weinten und klatschten). Die nächsten Jahre kamen immer mehr Deutsche nach Kairo und teilten inspiriert ihre Passion, das Tanzniveau stieg endlich allgemein an und verschiedene Richtungen bildeten sich aus. Ich entschied mich aus privaten Gründen meinen Schwerpunkt, wie die ägyptischen Tänzerinnen, auf das Entertainment zu legen und nicht nur zu lehren. Ausserdem hat man nie ausgelernt. Ich bin dankbar von so vielen Tänzerinnen unterstützt worden zu sein, mit ihnen auf der Bühne an gemeinsamen Projekten gearbeitet zu haben, dass ich mein Privatleben in den Tanz einfliessen lassen und mich mit ihm entwickeln konnte, dass ich so viele prägende Weggefährten hatte und mich immer noch über eine neue Generation von Tänzerinnen begeistern, mich über zu viel Kommerz und Marketing aufregen, über unterschiedliche Ansätze diskutieren und trotzdem freundschaftlich verbunden zu sein kann, therapeutische und philosophische Aspekte einfliessen lassen kann und mich immer noch mit dem Tanz als meinen wichtigen Lebensweg entwickle.

Über den Unterschied zwischen der Auftritts- und Bühnentänzerin
Das erste, was mir einfällt ist, dass ich als Auftrittstänzerin immer FÜR andere tanze und als Bühnentänzerin MICH tanze. Wenn ich mir eine Show ausdenke, habe ich immer auch eine künstlerische Message gehabt: so wie z.B. den 11. September zu verarbeiten, wo Sahra und ich eine Kriegsszene tänzerisch eingebaut hatten, die uns persönlich sehr ergriffen hat oder mein Riesenschleiertanz zu Chill- out Musik. Es war uns eigentlich egal, was die Leute dazu meinten, weil wir uns mit den Mitteln des Tanzes ausdrücken wollten. Bei Kunst geht es nicht unbedingt darum, ob es gefällt, sondern was ich mitteilen möchte. Auf meinen Shows erlaube ich mir die künstlerische Freiheit, auch andere Tänze auszuprobieren - bzw. den anderen teilnehmenden Künstlern. Meine eigene Erwartungshaltung ist bei Orientalischen Shows genauso: ich möchte neue Ideen sehen, Kreativität auf der Bühne, Trauer, Schmerz, Witz etc. Da geht es eigentlich um Tanztheater mit den Mitteln des Orientalischen Tanzes.
Im Gegensatz dazu versuche ich als Auftrittstänzerin, Menschen glücklich zu machen, ein Klischee zu bedienen. Als Entertainerin (und so verstehe ich mich dann, in der direkten Reihe zu Coverbands, Schlagersängern und Stand-up-Comedians) gehe ich auf die Wünsche der Kunden ein, bleibe in der Oberflächlichkeit: der Kunde erwartet eine schöne, glitzernde Tänzerin, die allen gute Laune macht und die Feier zu einem besonderen Erlebnis macht. Der Kunde möchte ein weisses Kostüm und romantische Lieder mit Schleier - kein Problem. Der Kunde möchte einen rassigen Vamp, der Stimmung verspricht - Ok, 
ich richte mich danach.
Damit mich hier niemand falsch versteht: ich liebe das mehr als alles andere!!! Was gibt es schöneres, als andere Menschen, und sei es nur für einen Abend, glücklich zu machen, sie an die Schönheit des Lebens glauben zu lassen und ihr Herz zu öffnen? Das Niveau eines erfolgreichen Entertainers muss selbstverständlich genauso hoch sein, wie der eines Bühnendarstellers, aber im Unterschied zu ihm muss ich mein Publikum lieben und es einbeziehen, auf meine Reise in den Orient mitnehmen.
Gerade im Orientalischen Tanz geht es in Ägypten, der Türkei, dem Libanon usw. um Entertainment und nicht nur um Selbstdarstellung auf einer Bühne. Tanz ist die direkte Kommunikation! Mit dem Orientalischen Tanz werden Lebensunterhalte verdient, ein neues Frauenbild geprägt, siehe Farida Fahmi, Souhair Zaki und Dina, die übrigens nicht für das gleiche Frauenbild stehen. Tanz wird nicht getrennt von Musikern oder dem Publikum gesehen. Ich tanze ja nun seit über 15 Jahren auf allen national unterschiedlichen Feiern und passe meine Auftritte dem Publikum an. Türken möchten andere Musik als Libanesen. Ägypter brauchen mindestens ein Herzschmerzstück. Russen brauchen mehr Romantik und Show, Deutsche mehr Abstand! Albaner sehen in mir etwas anderes als Griechen. Ihr seht, es ist nicht einfach. Und ich muss immer sehen, dass ich meinen eigenen Stolz bewahre, mir meiner eigenen Identität bewusst bin, meine Moralvorstellungen hochhalte. Ja, das ist die Kehrseite über die sich jede Frau bewusst sein sollte: die Realität ist nicht so geschützt wie die Bühne! Es ist nur ein Job für Frauen, die sich über ihre Macht gegenüber Männern bewusst sein sollten. Ist es umgekehrt, werden sie untergehen, bzw. in die Prostitution übergehen! Es ist eine Gradwanderung, denn so wie du dich als Frau siehst, wird dein männliches Publikum dich wahrnehmen. Begibst du dich in eine Opferrolle, kann es gefährlich werden. Leider gibt es immer noch Bauchtänzerinnen, die wie ein Stück "Dreck" behandelt oder als Sexobjekte missbraucht werden, was wiederum zu dem schlechten Ruf der Autrittstänzerinnen beiträgt. Nur was mich immer geärgert hat, ist, dass GUTE AUFTRITTSTÄNZERINNEN oft authentischer den Orientalischen Tanz wiederspiegeln und einen super Job absolvieren, was in der Tanzszene von vielen belächelt wird. Und sie tanzen FÜR Orientalische Menschen, bringen ihnen ein Stück Heimat für einen Abend, teilen positive Gefühle mit ihnen, weil sie sich das Schönste aus deren Kultur rausgepickt haben.
Ich liebe die Menschen, die Kultur und die Musik des Orients und kann ihnen ein Stückchen meiner Liebe zurückgeben. Ich habe fantastische Menschen über meine Auftritte kennengelernt, interessante, kollegiale Frauen, die sich die Jobs weiterreichen und habe immer noch sehr viel Spass an den Auftritten. Ich kann mir ein anderes Leben gar nicht vorstellen und denke manchmal mit Wehmut daran, dass es ja nun leider zeitlich begrenzt ist. Niemand möchte eine professionelle Tänzerin einladen und dann nur über ihr Alter und Aussehen lästern, was wiederum auf der Bühne nicht so wichtig ist. Da zählen andere Werte!

Über YOGA und den Säbeltanz
YOGA ist eigentlich eine Lebenseinstellung und Geisteshaltung, aber auch Gymnastik mit spirituellem Hintergrund. Anstatt sich einfach nur zu dehnen, bevorzuge ich entspannende Musik zu der ich ausgleichende Dehnübungen aus dem Yoga praktiziere. Yoga ist die ideale Ergänzung für Tänzerinnen, da der Yoga auch einem Tanz ähnelt. Es macht einem die beanspruchten Muskelpartien und Defizite an denen man arbeiten sollte deutlich und macht Spass.
Wer mich kennt, weiss dass mir die Selbsterfahrung und eigene Entwicklung durch den Tanz wichtig ist. Ein Säbel als Verteidigungs- und Angriffsinstrument, symbolisiert meine eigene Stärke, mein Verteidigungspotential, erfordert im Tanzausdruck Posen zu halten, Spannung aufzubauen. Baue ich diese Fähigkeiten tänzerisch aus oder erkenne,  dass sie mir fehlen, kann ich daran arbeiten und mich selber dazu coachen, kraftvoller zu werden. 



Über Veränderungen
Der Ägyptische Tanz ist beständig in seiner Veränderung: massgebliche Tänzerinnen so wie z.B. Fifi Abdou, Souhair Zaki in den 70er/ 80er Jahren, Naima Akef, Taheya Carioca in den 50er Jahren, waren für viele Frauen Vorbilder, um ihnen im Orientalischen Tanz nachzueifern. Dann kam eine Revolution mit Lucy und Dina in den 90er und 2000er, die dem Tanz Raumgrösse gaben und auch das Frauenbild mit veränderten. In den letzten 5-10 Jahren kamen wiederum Einflüsse aus Südamerika und Russland hinzu, die das Tanzniveau nochmal angehoben haben, indem Elemente aus Ballett und Contemporary Dance einflossen, was die Original- Tänzerinnen in ihr Tanzrepertoire einfliessen lassen. Für uns ist die Herausforderung, diese Veränderungen mitzutragen und den Orientalischen Tanz auf ein neues internationales Tanzniveau zu heben. Der Orientalische Tanz hat seine eigene Berechtigung, aber Tanz bedeutet immer auch Entwicklung.

Über die politische Lage in Ägypten und Oum Kolthoum
Zu der politischen Lage: ich bin ein grenzenloser Optimist, was die Entwicklung der Menschheit angeht. Ich glaube an den jugendlichen Idealismus und die positive Veränderung. Erstmal muss die Mubarak Zeit verarbeitet werden, das Frauenrechte - Thema in Ägypten angegangen werden, die Armut bekämpft, der Fundamentalismus in seinen Ursachen und Radikalität verstanden werden, die Umweltpolitik speziell in Kairo angegangen werden und erst dann kann was neues entstehen... Die Pyramiden sind auch nicht an einem Tag erbaut worden. Ägypter haben ihren Glauben und eine sehr liebevolle Art im Umgang miteinander. Schlechte Menschen gibt es leider überall, aber langfristig wird die neue Bewegung siegen! Und an alle Miesmacher: wenn wir alle Lichtgedanken in die Dunkelheit schicken, wird es auch schneller hell!!
Was aktuell an Oum Kolthoum ist, ist ihre Gefühlswelt, die für alle Menschen gleich ist. Wir spüren alle Liebe, Hoffnung, Schmerz, Trauer, Wut, Resignation etc. Das wird mit ihrer meisterhaften Interpretation in den wunderbaren Stücken spürbar. Ausserdem hat sie Musik als wichtigsten Antriebsmotor der Menschheit verstanden, war eine idealistische Person, die ihr Leben der Kunst gewidmet hat und andere Künstler auf ihrem Weg mitgenommen und geschätzt hat. Sie war eine der herausragendsten Personen des letzten Jahrhunderts (schaut euch mal ihre Beerdigung an). Sie lehrt uns Respekt und Liebe füreinander. Sie hat damals die traditionelle Orientalische Musikwelt revolutioniert und Einflüsse aus der westlichen Musikkunde übernommen und damit zu einer Öffnung verholfen, die in die Köpfe und Herzen der Menschen ging. Als Technobeats in die Musik kamen, wurden sogar Oum Kolthoums Lieder neu vertont. Als Tänzerinnen profitieren wir von der Vielfältigkeit und Tiefe ihrer Musik, die uns zu unseren eigenen Gefühlen führt.

Über die Liebe
Was uns in allen Lebensbereichen trägt, ist die Liebe. Wer Liebe in all seinen Facetten verspürt hat, den Schmerz, die Sehnsucht, die Angst um einen geliebten Menschen und vor allem die bedingungslose, glückliche Liebe, der kann im Tanz seine Liebe ausdrücken und wird Menschen durch seine Ausdrucksfähigkeit berühren. Das ist die Essenz von Tanz: mit anderen Menschen ein Gefühl zu teilen, sich verbunden zu fühlen. Liebe ist ein Hauptthema in der Musik, also sollten wir als Tänzer(-innen) das auch spürbar machen. 

Über die Hoffnung
Ich habe immer noch nicht die Hoffnung aufgegeben, dass der Orientalische Tanz einen hohen Stellenwert als eigenständige Tanzform bekommt. Wir, Orientalischen Tänzerinnen, müssen ein grösseres Selbstbewusstsein bekommen, worin sich unser Tanz von anderen unterscheidet. Wir integrieren seit Jahren alle möglichen zeitgenössischen Trends, so wie Ballett, Contemporary, Flamenco, Tango , Hip- Hop etc. Aber die Tiefe unseres speziellen Tanzes muss mehr hervorgehoben werden: wir beziehen uns in diesem Tanz auf Weiblichkeit als Klischee, und das hat einen eigenen Wert!!! Nur weil wir uns hübsch machen, lange Haare haben, Glitzerkostüme tragen, sind wir noch lange nicht oberflächlich! Es ist die Schönheit in uns, die wir nach außen tragen wollen. Wir haben alle eine Sehnsucht nach Glitzer. Hundertwasser hat einmal gesagt, dass jeder Mensch das Recht auf ein bisschen Gold und Silber hat. Gold und Glitzer stehen symbolisch für das Licht in uns, für das, was aus der Dunkelheit, dem Alltag, aus uns heraus strahlt. Ich habe die Hoffnung, das wir uns von dem elitären, westlichen, männlichen Kunstgedanken befreien und eine neue weibliche Definition von Kunst entwickeln. Orientalischer Tanz vereint hohe musikalische Kunst mit Tanzperfomance. Und wem das nicht gefällt, der kann doch Contemporary Dance tanzen, oder?

Über Vereinbarkeit von Tanz und Lebensrealität
In erster Linie war und bin ich die ganzen Tanzjahre Mutter! Teilweise finanziell alleinerziehend und habe immer schon ausschliesslich vom Orientalischen Tanz ( Shows und Unterricht ) gelebt. Jahrelang hatte ich eine sehr unterstützende Putzfrau, ohne die ich das alles nicht geschafft hätte und super liebe, und verständnisvolle Kinder. Meine besten Freundinnen tanzen Gott sei Dank auch, so dass wir neben Privatem auch immer Austausch über den Tanz haben, denn der dominiert schon arg mein Leben. Manchmal war ich schon traurig, dass ich an Wochenenden nichts mit Freunden planen konnte, aber daran, wie z.B. kein Sylvester zu feiern, habe ich mich gewöhnt. Ich habe den Tanz auch immer als persönliche Entwicklungschance begriffen und meine Lebensthemen in den Tanzunterricht einfliessen lassen. Nach den ersten Jahren ohne Privatleben, habe ich beschlossen, mehr Grenzen zu ziehen. Ich glaube, dass ich gar keine richtige Trennungslinie mehr ziehen kann, weil ich schon so lange in dieser Tanz – Frauenwelt lebe. Eigentlich bin ich froh, dass ich als Künstlerin die Chance habe, davon zu leben und bin wahrscheinlich für einen „ normalen „ Job verdorben. Meine Realität ist sehr orientalisch, südamerikanisch und in vielen Dingen auch deutsch. In meiner Stadt bin ich akzeptiert und muss nicht gegen Vorurteile kämpfen. Es ist wie es ist!







Hallo... oder wer, was und wieso?



Alles ändert sich: wir, die Gesellschaft, die Einstellung zu Zeit und Raum, zu sich selbst, zum Hobby und auch zum Tanz. Schneller, größer, besser und immer anonymer... Die Shows können auf youtube angeschaut, das Tanzen nicht nur durch DVD´s sondern auch in den online Kursen gelernt werden. Zu einer Probestunde kann man sich auch per Mail um 2:00 Uhr nachts anmelden, und durch die Smartphones diese auch direkt um 2:05 Uhr aus dem Bett beantworten und gleich auch 100 andere Freunde, die man nicht kennt, dazu einladen. Grenzen setzen, Freiräume schaffen und sich Zeit für Inspirationen nehmen - schwierig, wenn die Strömung das Tempo vorgibt... Bei meiner letzten Reise nach Cairo habe ich etwas Unbezahlbares gelernt - Teetrinken, stundenlanges Teetrinken... Es hat eine Woche gedauert, bis ich dabei stillsitzen und den Tee auch schmecken konnte. In Deutschland angekommen, hat mich das hiesige Tempo wie ein LKW mit dem vollgeladenen Anhänger gegen die Wand gedrückt und das Teetrinken wurde nach einer Woche eingestellt, und es folgte eine Art Depression... Das Bedürfnis immer auf dem neuesten Stand zu sein, mitzuhalten und Ansprüchen (eigenen wie fremden) zu genügen, ist enorm. Sich selbst dabei treu zu bleiben, eigenes Tempo zu haben und sich selbst nicht zu verlieren – das ist eine der Herausforderungen meiner Generation. Was ist Schein und was ist Realität? Verliert der Tanz an Leidenschaft und an Traumhaftigkeit, wenn er zum Beruf wird? Wo ist die Grenze zum Business? Ab wann tanze ich, um zu gefallen? Kann man die Leidenschaft zum Tanz in der heutigen Zeit und Szene aufrechterhalten? Kann man die Entwicklung des Tanzes vom Exklusiven hin zum Massenprodukt in einer Konsumgesellschaft wie die unsere noch gut heißen? Und warum diese Gedanken? Keine Ahnung! Ich bin 30, Mutter eines 3-jährigen Mädchens, fast alleinerziehend, und Tänzerin, liebe Cairo (und seit neuestem auch Russland), meine Familie und den Tanz... Die Orientalische Szene ist voll von Strömungen, Ideen, Ausbildungen, Regeln, Business und jeder Menge Frustrationen...

Vor der Geburt meiner Tochter war ich auf der Suche nach der perfekten Technik, Choreographie, Vorbildern und Erfolg. Ich bin seit drei Jahren wieder auf der Suche - der Suche nach dem Sinn im Tanz. Und wie jede Suche bringt sie Erkenntnisse, Erfolge und Misserfolge mit sich.
Die meisten Erkenntnisse und Ideen, positiven wie negativen, aber auch Kraft und Motivation haben sich aus den zahlreichen Gesprächen entwickelt. Man versteht eine Tänzerin, ihren Tanz und manchmal auch ihre Entscheidungen besser, wenn man ihre Geschichte kennt. Back to the roots, entgegen der modernen Kommunikationsmedien, wo die Tänzerin aufgrund ihrer Tanztechnik, Anzahl und Schwierigkeitsgrad ihrer Choreographien, Virtuosität und der „Likes“ auf verschiedenen Internetplattformen kennen gelernt wird... Meine letzte Gesprächspartnerin war Natalia Fadda. Am Ende gab sie mir ein bereits 2009 veröffentlichtes Interview mit auf den Weg. Die Gespräche und das Interview lösten bei mir „Magenkrämpfe“ aus. Mitten in Moskauer Metro habe ich geweint... Das war gleichzeitig der letzte Auslöser für die Gründung dieses Blogs. DIALOG mit Tänzerinnen über Tanz, Leben und alles andere für mehr Verständnis und mehr Respekt und nebenbei auch vielleicht etwas Inspiration. Das ist die Botschaft und die Idee.


Willkommen beim TanzDIALOG!